Mittwoch, 30. Oktober 2024

Reichenau: Münster St. Marien und St. Markus Mittelzell


Die Insel Reichenau bei Konstanz war in karoligischer Zeit ein geistliches Zentrum des neu entstehenden Heiligen Römischen Reiches. Hier wurde das geistliche Erbe der Antike bewahrt und weiterentwickelt. Hier wurde die Elite des Reiches gebildet. Hier entstanden die bis heute kostbarsten Bücher und der St. Galler Klosterplan.


Die zuvor öde Insel wurde vom hl. Pirmin (Vita) von Schlangen befreit. Er gründete eine Benediktinerabtei mit der Kirche St. Marien (und später St. Markus). Es gab auf der Insel später über 20 (laut einer Führerin 24) Kirchen, von denen die o.g. Abteikirche, SS. Peter und Paul Niederzell und St. Georg Oberzell erhalten sind. 


Die Ortsbezeichung "Zell" geht auf das lateinische "cella" zurück, hier Bezeichnung für ein Kloster. "Ober-", "Mittel-" und "Nieder-" bezeichnen die Lage im Rhein.


Der hl. Pirmin zog nach der Gründung weiter, gründete weitere Klöster und ist in Hornbach begraben worden, von wo seine Gebeine über Speyer nach Innsbruck gelangten. Darum fehlten der Reichenauer Abtei die Reliquien seines Gründers. "Ersatzweise" - und für die Bedeutung der Abtei aussagekräftig - kamen 830 Reliquien des hl. Evangelisten Markus und 925 eine des Heiligen Blutes Christi hierher, später auch weitere, die in der Schatzkammer aufbewahrt sind (Bilder unten).


Ein Bild der Kirche von Nordosten (nicht hochladbar)...


... und eines von Westen...



... mit einer charmanten neuzeitlichen Figur des hl. Markus auf dem Vorplatz:



Das Mittelschiff:




Der Markusaltar (1477) im Westen vor einem zu seiner Ehre errichteten Querhaus...



... mit einer Kopie des Markusschreins (Original in der Schatzkammer, s.u.; die Reliqiuen liegen vermutlich hier):



Der "Volksaltar" vor einem Barockgitter (1746), dahinter der Heilig-Blut-Altar (1739)...



... nördlich eine gotische Madonna (um 1300):



Der hölzerne Heilig-Blut-Altar auf den Stufen zum Mönchschor in der Vierung (das Heilig-Blut-Fest ist das höchste der drei Reichenauer Inselfeiertage):



Der Hochaltar mit Marienkrönung und Heiligen (Rudolf Stahel, 1498):



Davor das Grab Kaiser Karls III., Urenkel Karls des Großen, letzter Herrscher des vereinten Frankenreichs und einziger König der Alemannen:



Spätgotisches Hochchorgewölbe:



Gotische Wandmalereien:




In der Schatzkammer (ehem. Sakristei):



- der echte Markusschrein (14. Jh) ...



... darauf die Anbetung der Könige...



... die Kreuzabnahme...


... und die Auferstehung:



- der Schrein der heiligen Fortunata von Cäsaräa (um 1470)...



... mit dem nicht gelungenen Martyrium durch Zersägen des Kopfes...


... und dem gelungenen Martyrium durch Enthauptung (hier die Geschichte):


- der Genesiusschrein mit Reliquien der hll. Genesius, Felix und Regula, Marcellus Exuperantius und weiterer Heiligen (Konstanz um 1480):


- (angeblich) einer der Steinkrüge von der Hochzeit zu Kana, in denen Jesus Wasser zu Wein werden ließ (um 900 auf die Reichenau gelangt):


- der Johannes-und-Paulus-Schrein, das älteste Reichenauer Schreinreliquiar (um 1300):


Dienstag, 29. Oktober 2024

Reichenau: SS. Peter und Paul Niederzell


Am unteren Ende der Klosterinsel Reichenau liegt die zweitälteste Kirche der Insel SS. Peter und Paul (siehe auch hier und hier). Sie wurde von Bischof Egino von Verona nach seiner Resignation 799 gegründet, offenkundig als Ersatz für die verlorene Kathedrale reich ausgestattet und im 10. Jahrhundert zu einer Stiftskirche. Um 1080 wurde sie auf den alten Grundmauern romanisch neu erbaut, war 1134 fertiggestellt (Osttürme Ende 15. Jh.) und ist 1750/60 "rokokoisiert" worden.


Die ursprüngliche, nur dem hl. Petrus geweihte Kirche war ein in lombardischen Stil reich ausgemalter Saalbau. Man hat bei Ausgrabungen eine "lombardische" Chorschranke gefunden, die fast altchristlich wirkt (siehe hier unten).


Die Konventsgebäude lagen in deren Norden, eine (Tauf?-) Kapelle im Süden.


Da der Besucher nur von Osten kommen kann, wird er von einer Doppelturmfassade über den Chören empfangen:







Die Apsis mit romanischen Malereien (1104-1134) und dem später vergrößerten Ostfenster:



Das Bild des Auferstandenen im Chor...



... ist aus Neresheim übernommen. Hier sieht man das Original (in der vorletzten Kuppel):






Die Egino-Kapelle, wo sie das Chorgebet halten (hier ein Bild), war leider verschossen:



Montag, 28. Oktober 2024

Reichenau: St. Georg Oberzell

Die von Abt Hatto III. nach 888 erbaute und im Zustand aus dem 10./11. Jh. erhaltene Kirche St. Georg in Oberzell birgt nicht nur das Haupt des hl. Georg, sondern ist auch wegen der Wandmalereien aus dem 10. Jahrhunderts sehenswert, die die Kunst der Reichenauer Buchmalerei ins Großformat übertragen.


Nachdem die Reichenau zum UNESCO-Welterbe erklärt worden ist, kann man die Kirche - zum Schutz der Malereien - im Sommer nur bei einer kostenpflichtigen Führung betreten.




Die Malereien im Mittelschiff schildern (von Nordwest nach Südwest) die Wunder Christi (unten Einzelaufnahmen).



Im "Tabernakel" des Hochaltars befindet sich die Schädelreliquie des hl. Georg.




Am östlichen Ende der Nordwand ("Frauenseite") zerren Teufel an einer Kuhhaut, auf die Lästereien von Frauen geschrieben sind, die ihnen beim Jüngsten Gericht vorgehalten werden:



Das gegenüberliegende Gerichtsbild für die Männer ist (bemerkenswerterweise) gelöscht und durch einen romanischen Kruzifixus ersetzt:


Barocke St.-Georgsfigur mit Reliquiar im Südchor:


Die Westapsis mit einer barocken Darstellung des Jüngsten Gerichts:


Die Bilder von den Wundern Christi im Mittelschiff im einzelnen (von Nordwest nach Südwest, in Farbe und Kontrast zum leichteren Erkennen verstärkt - dazu bitte anklicken):

1: Heilung des Besessenen von Gerasa (Mk 5, 1-20)
2: Heilung eines Wassersüchtigen (Lk 14, 1-6)


3: Beruhigung des Sturms auf dem See Gennesareth (Mk 4, 35-41)
4: Heilung des Blindgeborenen (Joh 9, 1-41)


5: Heilung eines Aussätzigen (Mk 1, 40-45)
6: Auferweckung des Jünglings von Nain (Lk 7, 11-17)


7: Auferweckung der Tochter des Jairus und Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5, 21-43)
8: Auferweckung des Lazarus (Joh 11, 1-45)