Dienstag, 9. Juli 2024

Berlin: Marienkirche und -viertel


Die Marienkirche (vermutlich um 1270 errichtet, 1292 erstmals urkundlich als Pfarrkirche erwähnt) steht heute auf dem "Präsentierteller" des in DDR-Zeiten nach Osten erweiterten Alexanderplatzes und wirkt wie die historische Hauptkirche (Alt-)Berlins. Das ist sie aber nicht, denn die erste Kirche der Slawensiedlung Berlin ist St. Nikolai. 


St. Marien wurde als deren zweite Kirche am Neumarkt gegründet und war einst vom Marienviertel umgeben, was im Grundriß so aussah:



1860 wurden hier neue Markthallen, Kaufhäuser, das neue (Rote) Rathaus, die Börse und das Postquartier errichtet, womit die historische Kleinteiligkeit des Viertels stark verändert wurde. Ab 1880 wurde das Marienviertel abgerissen. (Quelle


Ein Blick auf die Westfassade: Unten Granitfindlinge, darüber Backstein, wie im "erweiterten" Ostseeraum üblich. Der Turm, im Kern aus Rüdersdorfer Muschelkalk, ist 1663–1666 von Michael Mathias Smids im Barockstil erbaut, dessen Spitze Resultat einer Überformung durch Carl Gotthard Langhans (Erbauer des Brandenburger Tors) aus dem Jahr 1789 in "früh-neugotischem" Stil.



Vor der Kirche steht ein später vom Sockel geholtes Luther-Denkmal von Paul Otto und Robert Toberentz (1895):




Die Bronzeportale stammen von der Renovierung nach dem Zweiten Weltkrieg:




Die Kanzel von 1703 (Andreas Schlüter, Hofbildhauer und Schloßbaudirektor Friedrichs I.):


Der Hochaltar (um 1762 von Andreas Krüger):



Im südlichen Seitenschiff hängt ein spätmittelalterliches Bild des hl. Bernhardin von Siena (von einem ehemaligen Seitenaltar?). 


Man erkennt ihn an der "IHS"- (=Jesus-) Sonnenscheibe ("Um den ganz Italien zerreißenden Streit zwischen Welfen und Ghibellinen, respektive zwischen „Päpstlichen“ und „Kaiserlichen“, zu schlichten, ließ Bernhardin die entsprechenden Wappen abhängen und stattdessen den Namen Jesu auf einem Schild mit dem griechischen Christusmonogramm IHS verehren" [Quelle]; später Wappen des Jesuitenordens) und den drei Mitren, die dafür stehen, daß er drei ihm angetragene Bischofsstühle abgelehnt hat, darunter den von Siena (unten links).



Das Bild ist laut Inschrift auf dem Buch, wo vorher gewiß etwas anders gestanden hat, nachreformatorisch renoviert worden ("Thurneisser hat mich neuw gemackt, do ick war alt und gar voracht. Anno 1584"):



Schön sind die fröhlichen Gläubigen am unteren Rand des Bildes:




Die Wagner-Orgel von 1723 / Schuke, Berlin 1947-49 / Kern, Straßburg 1999



Im Süden des Alexanderplatzes hat das im "Arbeiter- und Bauernstaat" nun herrschende Proletariat sich eine angemessene Behausung gebaut:


An der Fassade des 1861-1869 errichteten Roten Rathauses wird direkt neben dem Haupteingang der Ablaß zum Gründungsmythos erhoben:


Der Neptunbrunnen auf dem Alexanderplatz:

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