Donnerstag, 22. November 2007

Verwirrung

Werktagsmesse in einer Stadt in Thüringen. Ca. 20 Meßbesucher (alle alt), darunter drei Ordensschwestern, die den Küster-, Lektoren-, Vorbeter- und Liedanzeigerdienst übernehmen.

Die Messe ist, wie fast immer in der ehemaligen DDR, rite et recte. Der Priester wirkt müde, hat eine Elefant-im-Porzellanladen-Gestik. Aber ich denke, er ist wohl noch in DDR-Zeiten katholisch sozialisiert und vielleicht auch noch geweiht worden, und zolle ihm innerlich Respekt.

Die Fürbitten werden von einer Schwester aus der Bank heraus gesprochen - zum Volk hin gewendet! Ich frage mich: Wenn sie mit Christus spricht (so war es in diesem Fall), warum kehrt sie Altar, Kreuz und Tabernakel den Rücken? Ich denke, es wird wohl an der ungünstigen Akustik liegen, die ich allerdings in dem kleinen Kirchlein bis dahin nicht bemerkt hatte. Man will wahrscheinlich, daß das Volk versteht.

Nach der Messe betet dieselbe Schwester den Angelus vor, diesmal nicht zum Volk, sondern - zum links in einer Seitenkapelle stehenden Tabernakel. Man versteht übrigens jedes Wort. Im Chorraum steht ein gotisches Retabel mit Maria als Mittelfigur. Ich frage mich: Warum betet sie nun zu Christus, wenn sie Maria anspricht? Daß man sich zum "Und das Wort ist Fleisch geworden" zum Tabernakel verneigt oder eine Kniebeuge macht - natürlich! Aber das "Gegrüßet seist du, Maria" zum Tabernakel?

Haben wir den völlig die Richtung verloren?
Oder bin ich zu sensibel?

Dienstag, 13. November 2007

Von Priester zu Priester

Folgenden Brief habe ich an einen älteren Mitbruder geschrieben. Dieser hatte mich ob meines Engagements für die Alte Messe kritisiert. 


Lieber N.! 


Danke für Deinen kritischen Brief. Ich schätze Dich als Mitbruder und Mensch sehr, und daher ist mir Deine Meinung wichtig. Heute beim Konveniat hatten wir keine Gelegenheit, darüber zu sprechen. Ich will Dein Angebot zum Gespräch gerne annehmen, aber vielleicht ist es auch gut, Dir zuvor schriftlich zu antworten. 


Das Blatt, das Du in der Sakristei gelesen hast, ist nicht für die Allgemeinheit bestimmt. Ich habe es vielmehr für Meßdiener verfaßt, die einen besonderen Sinn für Liturgie haben und Interesse bekunden, auch einmal die „Alte Messe“ zu erleben. Es geht also um ein Neugierigmachen – mehr nicht. Daher mögest Du mir diesen liturgiehistorischen „Holzschnitt“ nachsehen. 


Natürlich habe auch ich Jungmann studiert – ich war selig, als ich sein Missarum Solemnia von N.N. erbte. Mir sind die verschiedenen Ritenfamilien bekannt, und ich weiß auch, daß der zweite Kanon auf Hippolyth zurückgeht – allerdings ist er an nicht unwichtigen Stellen verändert, was uns die Orthodoxen übrigens übelnehmen. 


 Ich vermute aber, daß es bei der durch das Motu Proprio Summorum Pontificium ausgelösten Diskussion über die Alte Messe, von der dieser unser Briefwechsel ein Teil ist, weniger um solch liturgiehistorischen Einschätzungen geht. Der eigentliche Punkt ist vermutlich ein anderer. Mir scheint, daß es vor allem die älteren Mitbrüder, also die Erlebnisgeneration der Reform, irritiert, wenn jüngere Priester ein Interesse oder sogar eine Liebe zur alten Messe entwickeln. 


Das ist verständlich, denn es wirkt wie ein Gegensatz zu dem, was sie selbst als junge Priester erlebt und durchgesetzt haben. Wenn ich und andere jüngere Priester und Gläubige die Alte Messe feiern und darin auch einen Weg der Seelsorge sehen, geht es uns bestimmt nicht um ein Wiederherstellen des Zustandes vor der Reform, denn diesen kennen wir Jüngeren ja gar nicht. Das Ergebnis der von Eurer Generation als Befreiung erlebten Veränderungen haben wir ja von Kindheit auf als das einzig Normale erlebt. 


Die „Alte Messe“ habe ich erstmals besucht, als ich schon im Studium war, und das war für mich auch nicht besonders attraktiv. Es geht um etwas anderes. Die „neue Sehnsucht nach der alten Messe“ gibt es ja vor allem bei jüngeren Menschen, solchen, die nach der Reform großgeworden sind. Wenn Papst Benedikt über die Liturgiereform schreibt: „Man brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes.“ (Aus meinem Leben, DVA 1997, S.173), dann werden ich und andere „nachreformatorische“ Menschen neugierig und fragen nach dem „alten Gebäude“, von dem man vermutet, daß es in irgend einer Weise ursprünglicher, „originaler“ gewesen sein muß. Übrigens ist es dieser Satz, der mich zu dem von Dir kritisierten „Werbetext“ inspiriert hat. 


Sicher war manches an der Liturgie, so wie Eure Generation sie bis in die 1960er Jahre erlebt hat, „suboptimal“, aber diese Mißstände haben wir Jüngeren doch gar nicht kennengelernt. Es sind nicht unsere Probleme. Und bei der Beschäftigung mit der Alten Messe ist – von ihrer Vielschichtigkeit und Weisheit abgesehen – vor allem ihr Alter faszinierend und ihre „Ungemachtheit“. Damit meine ich nicht, daß hier keine Menschen am Werk gewesen wären, aber es waren eben lange geistliche Erfahrungsprozesse, Wachstum und Reinigung im Geist der Gesamtkirche. 


Das neue Meßbuch ist von Kardinal Annibale Bugnini und seiner Kommission entworfen, und das ist – wie ebenfalls unser Papst schreibt – etwas kirchengeschichtlich Neues. Und so etwas weckt Mißtrauen: Ist eine Kommission nicht viel zu sehr zeitbedingten Einflüssen und persönlichen Vorlieben unterworfen? Und sind nicht wirklich viele Orationen moralintriefend, die Meßopfertheologie des vierten Kanon in bis dahin nicht dagewesener und die Ökumene belastender Weise zugespitzt („darum bringen wir dir seinen Leib und sein Blut dar“), die im deutschen Meßbuch vorgesehene „Predigt“ vor dem Friedensgebet („Unser Herr Jesus Christus hat zu seinen Aposteln gesagt...“) an dieser Stelle (immerhin ist Er selbst ja da!) unangemessen und dem lateinischen Original nicht entsprechend (da ist es ein Gebet) und die Rituale zu Taufe und Krankensalbung von bemerkenswerter Mittelmäßigkeit (Was soll ein Effata-Ritus nach dem Wortgottesdienst?) usw.? Wenn man geistig einigermaßen wach und liturgisch sensibel ist, dann wundert man sich doch über soviel Mittelmaß – und fragt sich, da es sich doch um offizielle Gebete der katholischen Kirche handelt: Wie konnte es dazu kommen? 


Eine Reform, wie sie das Konzil gefordert hat, hätte Ehrfurcht vor dem Gewachsenen gehabt, bis hin zur Leseordnung, die ja uralt war und uns bis dahin mit der protestantischen Christenheit über weite Strecken verbunden hat. Es hätten unter Beibehaltung des Bestandes und der Struktur Ergänzungen und Erweiterungen stattfinden können, aber kein „Neubau“. So etwas hatte man ja 1965 begonnen aber davon spricht heute keiner mehr... 


Um es klar zu sagen: Es geht nicht um ein Entweder – Oder. Der Papst wünscht die befruchtende Ergänzung. Ich glaube, wenn ich die Alte Messe zelebriere, dann fließen die Prägungen durch die Zelebration der neuen mit ein (So drehe ich mich z.B. nicht nach dem „Orate fratres“ sofort wieder um, sondern spreche den ganzen Satz zu den Gläubigen, an die diese Aufforderung ja gerichtet ist). Ich könnte mir auch vorstellen, die Alte Messe auf deutsch zu feiern; wichtig sind mir nur ihr Alter, ihre schlüssige „Dramaturgie“ und „Choreographie“ und ihr Gespür für Heiligkeit und Ehrfurcht. Und ich zelebriere die „Neue Messe“ bewußter, persönlich zurückhaltender und „objektiv-ritueller“, seit ich die alte kenne. 


Der neue Ritus, den ich ja beinahe täglich feiere, ist nicht unwürdig, von „ungültig“ ganz zu schweigen, und er ist ja inzwischen trotz der genannten „Mängel“ sozusagen geheiligt durch den 40jährigen Gebrauch der Kirche. Nur, wenn 99% der Christen wirklich zufrieden wären mit der neuen Liturgie, wie Du schreibst, dann ist doch immerhin bemerkenswert (ich meine das nicht polemisch!), daß so wenige und immer weniger dieses Angebot nutzen. Man kann doch nicht umhin festzustellen, daß die Liturgiereform den Rückgang der Meßbesucherzahlen wenigstens nicht aufgehalten hat. Da scheint mir ein „Weiter so“ unklug. 


Sicher, auch zur „Alten Messe“ kommen wenige (wir feiern sie ja auch zu ungewöhnlicher Zeit und nicht am Sonntag). Aber die, die kommen, sind junge, bewußte und meist in ihren Pfarreien aktive Christen. Das ist doch nicht die schlechteste Klientel, oder? So glaube ich nicht, daß ich mir durch die Feier und das Angebot der Alten Messe die Seelsorge schwerer mache, als sie ohnehin ist. Mich bereichert die Alte Messe – und es gibt andere, denen es genauso geht. Keiner von uns will, so glaube ich, diese Form als die alleinige, wohl aber als herausfordernde Korrektiv zur derzeit üblichen. 


Ich hoffe, lieber N., Dir meine Beweggründe einigermaßen verständlich dargelegt und deine Bedenken zerstreut zu haben. Über ein Gespräch darüber mit dir oder auch weiteren Mitbrüdern würde ich mich freuen. 


Herzlich grüßt Dich 

Dein N.