Dienstag, 23. Oktober 2018

Am Fest des heiligen Severin...

... war ich in Köln in seiner Kirche. Das Wetter war erstmals seit langem zeitgemäß, was sich photomäßig leider nicht so gut auswirkt, zumal ich die Bilder mit meinem Funktelephon gemacht habe.



Da heute aber das Fest des heiligen Severin ist, lade ich die Bilder dennoch hoch. 

Die Kirche liegt an der römischen Limesstraße, sozusagen von Qualburg aus kommend in Richtung Rom hinter Colonia Claudia Ara Agrippinensium links - zu römischen Zeiten lag sie da allerdings noch nicht.


Man hat aus der Kölner Innenstadt einen ziemlich langen Weg über den alten Cardo (Hohe Straße) und die Limesstraße, passiert die römische Stadtgrenze bei St. Georg, wo vor allem der heilige Judas Thaddäus in aussichtslosen Fällen um Beistand angerufen wird (übrigens mit Erfolg, wie die vielen Votivtafeln zeigen)... Davor liegt ein wunderschöner Brunnen zu Ehren des heiligen Hermann-Josef von 1894.






Dann kommt man an St. Johannes vorbei, einer im 10. Jh. gegründeten Kirche, Pfarrkirche seit Ende des 11. Jh., die im Zweiten Weltkrieg zerstört, in bemerkenswerter Form wieder aufgebaut und heute eine "Jugendkirche" ist.




In unmittelbarer Nähe liegt St. Gregorius im Elend (Elendskirche): 


Ein Straßenname "An St. Katharinen" weist hier auf eine dritte Kirche hin, die dem Deutschen Orden gehörte; diese gibt es nicht mehr.

Kurz vor dem mittelalterlichen Stadttor erreicht man St. Severin.





Die Kirche liegt in einem belebten Stadtviertel, das, wenn man aus der Innenstadt kommt, herrlich nach "normalem Leben riecht". 










Erhaltene Romanik im Nordquerhaus:



Südwand des Hochchores:




Der Schrein des heiligen Severin war zum Fest aus dem Hochaltar herausgenommen und an der Vierung aufgestellt.




Hochchor mit Hochaltar - festbedingt ohne Severinsschrein:







Neuromanische Reliefs am Hochaltar mit Szenen aus der Severinslegende:










An beiden Seitenwänden des Hochchors befinden sich Wandgemälde mit Engeln, die Trompeten (oder so was Ähnliches) blasen. Die Mündungen der Instrumente sind Maueröffnungen.





Dienstag, 16. Oktober 2018

Deventer - Stadt des heiligen Lebuin


Am rechten, östliche Ufer der Geldrischen Issel (IJssel) liegt Deventer (betont auf der ersten Silbe), besiedelt seit etwa 400 (Germanen). Die Stadt feiert in diesem Jahr ihr 1250. Jubiläum

Der heilige Lebuin(us), ein Missionar, der in seiner britischen Heimat Liafwin gerufen wurde, setzte 768 über die Issel, um die Sachsen zu bekehren und gründete um 776 hier seine erste Kirche. Mit im von Britannien kommenden Missionsteam war übrigens der heilige Adalbert, von dem ich bereits berichtet habe.

Am linken Isselufer:




Blick auf die Bergkirche - dazu später mehr.


Die Große oder St. Lebuinus-Kirche (ursprünglich St. Marien) war eine Stiftskirche. Zeitweise hat hier auch der (Erz-) Bischof von Utrecht residiert; die Kirche wurde Kathedrale. Nach der Rückkehr des Erzbischofs nach Utrecht blieb sie Bischofssitz des neu gegründeten Bistums Deventer. (Geschichte hier in niederländischer Sprache, auch hier - zum Lebuinuskelch, um 800.)

Sieht man sich den heutigen gotischen Bau (1450-1525) an, scheint es an Geld nicht gemangelt zu haben. Nun ja, der Turm könnte noch ein, zwei Geschosse vertragen.



Zur Zeit ist das Gotteshaus unter calvinistischer Verwaltung. Die Heiligenfiguren sind hoffentlich eingelagert.


Vor der Westfassade:




In der Portalhalle:


Im Innern:



Der heutige Bau ist gotisch, umfaßt aber Teile der romanischen Vorgängerbasilika (man beachte die Säulen und den erhaltenen romanischen Stützenwechsel).


Heiliges Gerät für den calvinistischen Kult.



Gerne hat der Calvinist die übernommenen katholischen Kirchen "gedreht" und die Kanzel (der Altar wurde fast immer entfernt) an eine Seite des Mittelschiffs gestellt. Mir waren bisher nur Fälle bekannt, wo sie an die Südseite kamen; in St. Lebuin steht sie im Norden.



Pfeiler des romanischen Vorgängerbaus.


Der Hochchor enthält auffällig viel von der Vorgängerkirche, u. a. die darunter liegende Krypta, die ja in der Gotik meist entfiel, da man die Heiligen "ans Licht" holte.

Der Heilige Lebuin wurde vom heiligen Ludgerus, des ersten Bischofs von Münster, hier bestattet - die Krypta war sicher der Ort seines Grabes. Nach den calvinistischen Stürmen befinden sich noch Reliquien von ihm in der katholischen Kirche St. Lebuinus in Deventer.


Die acht Leuchter im Hochchor sind aus protestantischem Empfinden geradezu rekatholisierend - nur gut, daß es nicht zwölf sind. ;-)


Im Hochchor ein Fliesenboden von 1220. Dahinter der Abendmahlstisch?



In der Vierung und an vielen anderen Stellen ist der herrliche Namurer Blaustein verlegt - meist als Grabplatten.



Am nördlichen Übergang zum Chorumgang: Links der heilige Olaf von Norwegen, weil es in Deventer die "Bergenvaarders" (Bergenfahrer) gab (und gibt), die den begehrten Stockfisch aus Norwegen brachten, der auch rechts (heraldisch links) im Wappen zu sehen ist. Hier befand sich die St.-Olafs-Kapelle der Bergenfahrergilde.



Krypta - vormals vermutlich die Grablege des heiligen Lebuin.


Der "Altar" im Osten ist deutlich eine moderne "Rekonstruktion" - immerhin!


In der Mitte der Krypta ein Brunnen - Informationen darüber habe ich bisher nicht.


Moderne Figur des heiligen Lebuin?


Diese Abendmahlsermahnung ist in den Keller "verbannt" aber immerhin erhalten und macht - durch Auslassung - etwas vom calvinistischen Verständnis des, sagen wir mal, Altarsakraments deutlich:


Alle, die zum Tisch des Herrn gehen wollen,
um sein Heiliges Abendmahl zu empfangen,
mögen zuvor ernstlich bedenken,
was uns Jesus Christus hier schenkt.
1Kor 11 (28): Der Mensch prüfe sich selbst,
und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch.

In keiner calvinistischen Kirche fehlt die große Darbietung der Zehn Gebote. Hier bemerkenswert:
1. oben: "Ecclesia posuit" (latein!) - "Die Kirche schreibt vor" - und das, wo nach der Reformation jede Stadt ihr eigenes Kirchenregiment hatte.
2. unten rechts: die Zusammenfassung der alttestamentlichen Gebote im neutestamentlichen Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe.


Die Magistratskapelle (die Heiligen in der modernen Glaswand sind alle biblische Gestalten - also inhaltlich für den Calvinisten zulässig, wiewohl, da bildliche Darstellungen, eigentlich abzulehnen:





Die Küche - protestantisches Proprium in Kirchen.




 Der 1538 gegründete Jordenshof - letzte erhaltene Anlage dieser Art in Deventer.


Auf dem Weg zum Brink, dem großen Marktplatz: Löwe an der Treppe des Waaghauses:


Der Brink:


Das Waaghaus:




Die Bergkirche St. Nikolaus (ehedem Kirche der Gereformeerden = Altreformierten) ist heute ein Museum für moderne Kunst, was aber in der Ausstattung im Vergleich zu calvinistischen Kirchen keinen Unterschied macht. Sie ist kostenlos zugänglich.













Wurzel Jesse an der Westwand des Nordschiffs:






Erinnerung an alte Zeiten...


Am Strohmarkt befindet sich das älteste (profane) Steinhaus der Niederlande, die Propstei des Kapitels an St. Lebuinus. Ganz viel ist davon nicht übrig, aber immerhin...



Anbauten am Chorumgang von St. Lebuin:




Auf der Weiterreise entdeckte ich das alte Rittergut Paerckelaer in der Gemeinde Voorst, 1434 erstmals erwähnt.