Donnerstag, 19. November 2009

Neues aus der Neumark

Ein Freund hat ein altes preußisches Domänenhaus in der Mark Brandenburg gekauft und stilgerecht renoviert. Er hat - "obwohl" lutherischen Bekenntnisses - eine Hauskapelle eingerichtet und mich gebeten, sie zu segnen. Dies war der Anlaß für eine Reise mit einem gemeinsamen Freund in den Osten.


Wir besuchten Beeskow, eine typisch märkische Stadt mit zentralem Exerzierplatz, der außerhalb der Übungszeiten auch als Marktplatz genutzt wird, rechtwinklig angelegten Straßen, an denen die Häuser wie die "Langen Kerls" aufgestellt sind, und einer gotischen Backsteinkirche.
Diese Kirche, St. Marien, wollten wir besuchen. Aber sie war - da lutherischen Bekenntnisses - verschlossen. Da kam ein Radfahrer und sprach einen von uns an, ob wir von der Firma X seien. - Nein. - Dann sei er sicher der Herr Y. - Auch nicht. Aber ob er uns sagen könne, wie man in die Kirche käme. - Ja, er habe den Schlüssel in der Tasche.
So hatte uns ein "Verwöhnpaket" Gottes erreicht: Der Mann, Herr Knut Krüger, ist seit 1968 Mitglied des dortigen Presbyteriums (so nennt der preußische Protestant irreführenderweise seinen Kirchenvorstand).


Der Mann ist ein Held: Er hat in DDR-Zeiten in reiner Privatinitiative die Rettung der wunderbaren Kirche eingeleitet. In Feierabendarbeit wurde der Verfall gestoppt und der Wiederaufbau eingeleitet - inzwischen ist das Dach gedeckt. Ansonsten ist die Kirche praktisch nackt - Backstein, weiße Fenster, Schotterboden.
Wir betraten den Raum. Ich spare mir alle Beschreibung; dieses Bild sagt alles:


Ich flüsterte dem Freund zu: "Hier müßte man einmal die Alte Messe feiern!"
Herr Krüger hörte das, seine Augen blitzten auf. Ob er richtig gehört habe? Man feiere 2011 ein Kirchenjubiläum und sei auf die Idee gekommen, aus diesem Anlaß einen Gottesdienst zu feiern, wie er zur Erbauungszeit üblich war.
Ich hoffe, daß er die Verantwortlichen überzeugen kann. Nach über einer Stunde, in der er uns das Werk erklärt, die Sakristei mit spätmittelalterlichen Fresken und das als Kirche genutzte Seitenschiff mit einem Christopherusbild aus den 1950er Jahren gezeigt hatte (daß dieser Nothelfer gegen den jähen Tod von den Lutheranern verehrt wird, ist doch erfreulich!), bat Herr Krüger um meine Karte. Er scheint es ernst gemeint zu haben...

Sakristei:

Danktafel für einen Wohltäter, der die Wiederherstellung der Turmuhr ermöglicht hat. Man beachte die Kritzeleien: Mt 6, 1-4 und (klein, mit Bleistift geschrieben) Mt 5, 16


Abends saßen wir in der Eisdiele des kleinen Ortes (Der Betreiber hat keine Wirtshauslizenz...). Bei den Einheimischen hatte sich herumgesprochen, daß ein echter KATHOLISCHER PRIESTER im Ort sei. Man schwankte zwischen Scheu vor dem Leibhaftigen und Neugier. Der ältere Herr neben mir faßte mich immer wieder am Arm. Er wollte vermutlich prüfen, ob ich echt sei... Ein junger Mann, dessen Vater überzeugter Kommunist und Atheist gewesen war, war nicht erreichbar für religiöse Themen. Keine Neugier, keine Anknüfungspunkte. Tot ist tot - Ende. Traurig.
Hinterher erfuhr ich, daß man im ganzen Dorf über dieses "Ereignis" sprach. 40 Jahre DDR im tiefsten protestantischen Preußen sind schon eine bemerkenswerte Hypothek...

Film von der Kirchweihvesper:



Donnerstag, 17. September 2009

Sommerurlaub 2009

Nach langen Jahren habe ich endlich einmal wieder zwei Wochen Urlaub am Stück gemacht. Wir wollten nach Arezzo in der südlichen Toscana. Da wir mit dem Auto fuhren, machten wir Station auf der halben Strecke, in Augsburg.
Der Photoapparat blieb in der Stadt des heiligen Ulrich im Auto. Daher sei hier auf den Augsburger Dom hingewiesen...
Die alte Römerstadt hat einen recht gut erhaltenen Kern mit Bausubstanz aus Mittelalter und Rennaissance und einem sehr breiten und prächtigen "Cardo", der hier merkwürdigerweise nicht Hohe, sondern Maximilianstraße heißt.
Die reiche Familie der Fugger stiftete hier die älteste Sozialsiedlung der Welt, in der Bedürftige auch heute noch für 88 Cent im Jahr und drei tägliche Gebete für die Stifter eine Unterkunft finden.
Der heilige Ulrich hatte geschlossen; die prächtige gotische Basilika SS. Ulrich und Afra am südlichen Ende des Cardo war in restauro.
Neben dem Dom am Nordende der Maximilianstraße besuchten wir die ein oder andere Kirche, unter denen wie eine "Perle" St. Peter am Perlach hervorsticht: Direkt neben dem Rathaus gelegen und mit einem - im Vergleich zur Kirche - etwa dreimal zu groß geratenen Turm ausgestattet, meint man zunächst, vor dem Rathausturm zu stehen, entdeckt dann dahinter eine "Turmkapelle", die sich als schmuckes romanisches Kirchlein entpuppt. Darin befindet sich das Bild von Maria der Knotenlöserin: Unten sieht man zwei Menschen, die ihren Lebensweg gehen, über ihnen die Gottesmutter. Ein Engel reicht ihr ein verknotetes Band. Maria löst die Knoten und gibt das glatte Bandstück einem anderen Engel. Das Band entspricht dem Lebensweg der Menschen, die mit ihren "Knoten" bei Maria eine "Lösung" finden können.
Auffallend war das niedrige Preisniveau. Als wir Abends etwas essen wollten, fanden wir selbst an der Maximilianstraße kein Restaurant mit schwäbischer Küche (ich hatte mich schon so auf Maultaschen gefreut!), sondern "nur" (einfache) Italiener. Nichts gegen die italienische Küche - im Gegenteil. Auch wegen der Kleidung der meisten Flaneure hatten wir den Eindruck, daß die Stadt offenbar unter einer gewissen "Prekarisierung" leidet.

Am nächsten Tag überquerten wir die Alpen und fuhren nach Raben. Die Mittagspause in Bozen machte uns deutlich, daß die Stadt zwar nett ist, man aber nicht unbedingt hin muß...

In Ravenna besuchten wir
S. Vitale (für mich der Höhepunkt) und das Mausoleum der Galla Placidia mit dem berühmten Mosaik vom guten Hirten,
und auf der Weiterfahrt

Aber keine Sorge: Die Entspannung bei guten Speisen und Getränken kam nicht zu kurz...

Wir verließen die Poebene nach Süden und fuhren durch die Berge Richtung Arezzo. In San Sepolcro machten wir Mittagspause, auch um das Auferstehungsbild des Piero della Francesca im Rathaus zu besichtigen - eine Rennaissance-Variation des "Originals" auf dem Hochaltar des Domes.

Danach erreichten wir Arezzo, eine schöne, typisch italienische Stadt mit mittelalterlichem Gepräge (die Stadt ist natürlich über 2000 Jahre alt. Die Piazza Grande ist mit den Wappen der Stadt (Quartiere und Familien) geschmückt. Hier übten die Reiter schon ihren Kampf für das Sarazenen-Turnier.

Wir besuchten den Dom,

dann die Pieve, die Taufkirche aus der Zeit, als der Dom (und damit der ordentliche Taufort) noch außerhalb der Stadt lag,

Sankt Franziskus mit den berühmten Fresken von della Francesca

Sankt Dominikus u.a.m..

Exkursionen führten uns nach Assisi (ich hatte keinen Photoappartat mit, aber es war ohnehin überall "NO PHOTO!") Das letzte Mal war ich 1979 dort. Beeindruckend war vor allem die "Inszenierung" der Grabeskirche des heiligen Franziskus, die den Besucher von der hellen und klaren Oberkirche über die dunklere und verwinkelte Unterkirche bis in die (moderne, aber sehr gelungene) Krypta vor dass aus dem Felsen freigelegte und nun wie eine Säule im Raum stehende Grab führt.
Die übrigen Eindrücke von Assisi waren besser als erwartet. Ich hatte gedacht, daß die Scharen von nervenden Pilgern und Touristen den Ort "versauen". Es hielt sich jedoch alles in einem gut aushaltbaren Rahmen.

Perugia lag quasi in der Nachbarschaft, ebenso Cortona, 

von wo aus wir das franziskanische Heiligtum der Zellen 

und die Abteikirche zu Farneta besuchten.

Weiter weg, aber unbedingt einen Besuch lohnend: Orvieto.

Eine Warnung an potentielle Nachahmer: Nicht im Spätsommer nach Italien fahren! Nach zwei Wochen Sonne und Leichtigkeit des Seins in das frühherbstliche Deutschland zu kommen macht depressiv...

Orvieto - Duomo

Spektakulär ist der Dom zu Orvieto. Infolge eines Blutwunders (eine Hostie blutete bei der Wandlung, das blutgefärbte Korporale wird bis heute aufbewahrt und verehrt) baute man um 1300 den Dom neu. Der Papst, der damals praktisch in Orvieto residierte, gab ordentlich was dazu, und so ist ein romanisch-gotisches Gotteshaus schönster italienischer Prägung (d.h.: Gotik nicht verstanden) von enormen Ausmaßen und mit einer erstklassigen Fassade entstanden. Der Dom steht wie ein riesiger Reliquienschrein über der Stadt.

Das großzügige Innere leitet zur Kapelle des Korporale links und zur St. Brictius-Kapelle rechts, dessen bewegte Fresken vom Ende der Tage von Luca Signorelli am Anfang der Rennaissance stehen.

Leider hat es beim Übertragen der Photos auf den Rechner einen Fehler gegeben, so daß ich hier nur auf Bilder im Netz hinweisen kann. Es lohnt sich!

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Mittwoch, 16. September 2009

Ravenna

Die Stadt Ravenna (wir Germanen sagen natürlich "Raben" dazu) ist eine vorrömische Gründung. Am Ende des weströmischen Reiches gelangt sie wegen ihrer strategisch günstigen Lage den Rang eines Herrschaftssitzes - sowohl für die Weströmer, als auch für die Goten, als auch für die Byzantiner. Aus dieser historisch höchst bewegten und entscheidenden Zeit sind bedeutende Kirchen in unglaublich gutem Zustand erhalten. Neben der exzellenten Architektur beeindrucken vor allem die Mosaiken, die uns quasi als "Farbphotos" Einblicke in die damalige Welt, ihre Frömmigkeit und auch Prachtentfaltung bieten.


Hier liegt übrigens Dante begraben, worauf die Florentiner bis heute nicht gut zu sprechen sind, aber immerhin das Öl für die Lampe in seinem Mausoleum stiften.








Ravenna - Dom

Der Dom zu Ravenna ist "leider" in der Barockzeit neu gebaut worden. Klassischer "römischer" Barock, die antike Kanzel ist wieder errichtet, ein Gnadenbild der Gottesmutter und - etwas fremd für den transalpinen Besucher - einer Figur der hl. Mutter Theresa, die wir eher bei Madame Tussaud vermuten würden.














Ravenna - Baptisterium der Katholiken/Orthodoxen

Neben der Kathedrale steht das katholische Baptisterium. Seine Mosaiken sind - im Unterschied zum arianischen - fast vollständig erhalten. Das Fußbodenniveau ist kräftig angehoben - infolge der Senkung der Stadt. Das Mittelmosaik der Kuppel zeigt - wie im arianischen Baptisterium - die Taufe Christi. Hier gießt Johannes - dem geschichtlichen Geschehen entsprechend - Christus das Wasser über den Kopf.







Ravenna - S. Francesco

St. Franziskus zu Ravenna ist eine äußerst "wohltuende" Kirche zwischen den vielen Mosaiken. Ein edler, schlichter Raum mit einem sehr schönen, alten Altar. 

Die Krypta ist infolge der Absenkung der Stadt, die schneller vonstatten geht als die Venedigs, "abgesoffen". Gut franziskanisch werden darin Goldfische gehalten - vielleicht die besten Zuhörer bei der Predigt?






Ravenna - S. Vitale

St. Vitalis, die prächtigste Kirche Ravennas: Sie erinnert an die Hagia Sophia in Konstantinopel. Wunderbare Mosaiken - man sagt, es seien die prächtigsten im Abendland - zieren den erhabenen Raum.





















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Ravenna - Mausoleum der Galla Placidia

Byzantinsiche Kaisertochter, Königin eines Barbarenvolkes der Westgoten - Regentin ihres minderjährigen Sohnes Kaiser Valerian: eine leidenschaftliche und machtbewußte und mit allen Wassern gewaschene Frau war Galla Placidia, die hier begraben werden sollte (*392 in Konstantinopel, † 450 in Rom, wo sie tatsächlich begraben wurde).

Ihr Mausoleum ist der südliche Teil des Westquerschiffs einer z.T. abgerissenen Kirche (im Hintergrund des ersten Bildes zu sehen).