Wenn man aus Richtung Köln nach Marienthal fährt, endet die Autobahn bei Hennef, dann geht es knapp 40 km über Landstraßen weiter. Örtliche Heimatvereine scheinen dafür zu sorgen, daß, wenn man einen LKW überholt hat, gleich an der nächsten Kreuzung ein anderer LKW einbiegt, damit man die schöne Mittelgebirgslandschaft in aller Ruhe genießt. Auf den letzten Kilometern werden die Straßen schmaler und holpriger. Aber das kleine Marienthal (im Jahr 2011: 55 Einwohner) ist tatsächlich ans geteerte Straßennetz angeschlossen.
Ein Freund wohnt hier und hat davon geschwärmt. So habe ich ihn besucht und bin von Marienthal "verzaubert" worden. Das liegt an seinem bescheidenen Charme und an den Menschen, denen ich begegnet bin: Viele haben hierher gefunden oder kommen hierher, und sie bekennen, daß es eigentlich nicht zu erklären ist, warum. Z. B. hat sich jemand verfahren und den Ort zufällig entdeckt. Alle, mit denen ich gesprochen habe, bezeugen, hier einen Schatz entdeckt zu haben.
So gibt es hier ein reiches geistliches Leben, z. B. eucharistische Anbetung von Freitag bis Montag durchgehend, selbst montags ("Pastorensonntag") und am Samstagmorgen wird die hl. Messe gefeiert, allerdings nicht mittwochs und donnerstags; da fährt die "Werktagsgemeinde" in eine der umliegenden Kirchen.
Marienthal gehört heute (2022) zum "Seelsorgebereich Westerwald" des Erzbistums Köln und wird von einem eigenen Wallfahrtsseelsorger betreut.
Marienthal ist im 15. Jahrhundert als als Wallfahrtsort entstanden. Die Gegend (Grafschaft Sayn) wurde erst lutherisch, dann calvinistisch, so daß die Wallfahrt zum Erliegen kam.
1666 wurde hier ein Kloster der Franziskaner gegründet, das nach dem Reichsdeputationshauptschluß aufgehoben (das muß mal als Franziskanerkloster erst einmal schaffen!) und 1892 wiedergegründet wurde. Die Franziskaner haben Marienthal 1974 verlassen. (Geschichte)
Das Kloster mit der Kirche (links) von Westen...
... und von Norden:
An der Nordseite hat man einen Außenaltar für Pilgergruppen errichtet.
Am 6. Mai 2022 wurde diese neue Herz-Jesu-Statue vor der Kirche gesegnet. M. W. eine Schenkung, die Ebay möglich machte. Ein Zeichen für die Lebendigkeit und Besonderheit der Gemeinde. (Der Herr steht allerdings zu tief, denn er schaut auf die Gänseblümchen, nicht auf die Beter. Das nehmen wir dann mal geistlich als Zeichen der Zeit...)
Die 1668 begonnene, franziskanisch schlichte Kirche ersetzt ihre baufällig gewordene Vorgängerin, einen dreischiffigen gotischen Bau (1494-1503), der wiederum anstelle der um 1460 errichteten ersten Wallfahrtskapelle errichtet worden war. Sie wurde 1839 teilweise abgerissen, kleiner und ohne Turm wieder aufgebaut, um 1970 barockisierend renoviert und, wie mir mein Freund erzählte um zwei Joche nach Westen erweitert.
Der spätbarock-klassizistische Hochaltar kam erst (oder schon) 1968 von Windorf an der Donau hierher; das Altarbild „Maria Immaculata“ wurde 1841 von Clementine von Geyr-Schweppenburg gemalt.
Vor dem Altarraum hatte man zum Marienmonat Mai eine große und recht kecke Madonna aufgestellt, die nach Auskunft meines Freundes aus der Zeit der Franziskaner in Marienthal stammt. Ist es nicht herrlich, wie fröhlich-stark sie blickt und ihren göttlichen Sohn kitzelnd zum Erbarmen bringt?
Gegenüber steht eine außergewöhnliche Figur des heiligen Joseph (1950er Jahre?), die für Marienthal gemacht worden ist, wie man am Kirchen- und Klostermodell rechts im Bild erkennt, über die Joseph schützend seine Hand hält:
Der heranwachsende Gottessohn, vom Pflegevater behütet und diesen lehrend: "Paß gut, wie auf mich, auch auf die Marienthaler Kirche auf!"
Die Lederschürze ist so krachledern geschnitzt, daß man sie knirschen hört:
Das Gnadenbild aus dem 15. Jahrhundert soll nach Auskunft meines Freunde aus dem 2 km entfernten Hilgenroth (= Heiligenrode) gerettet worden sein, als man dort den Calvinismus eingeführt hatte.
An der Westwand der Gnadenkapelle befinden sich Reliquien (siehe hier) und Danktafeln, die bezeugen, daß die Gottesmutter auch heute in Marienthal wirkt:
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