So schieb ein Freund im Rückblick auf das Streitgespräch zwischen dem Romancier Martin Mosebach und dem Leiter der kath. Akademie Franz-Hitze-Haus, Münster, Prof. Dr. Thomas Sternberg MdL, das am 10. Dezember im Bischöflichen Priesterseminar Borromäum in Münster im Rahmen der akademischen Vortragsreihe „Forum Borromäum“ stattgefunden hat. (Hier die Darstellung des Abends durch das Priesterseminar)
Es waren (ich konnte es nicht genau zählen) wenigstens 80 Personen gekommen, darunter die Hausleitung des Priesterseminars und etliche andere Priester.
Nach der souveränen Einführung durch den Priesteramtskandidaten Dr. Oliver Rote trug Martin Mosebach pointiert seine Thesen vor, die eine Zusammenfassung seines Buches „Häresie der Formlosigkeit“ darstellten, welches dem Abend seinen Titel gab.
Er sagte unter anderem, daß die Liturgiereform von 1969
- nicht von den Konzilsvätern intendiert war (eine solche Reform im Sinne einer behutsamen Durchsicht der Bücher hatte bereits 1965 stattgefunden),
- ein in der Geschichte der Kirche beispielloser Bruch mit der Tradition gewesen sei,
- die einzige Reform in der Kirchengeschichte sei, die die Disziplin (Ehrfurchtszeichen) nicht verschärft habe, wie dies durch die Natur des Menschen immer wieder nötig sei, sondern gelockert,
- ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht werde, sich an den alten Bräuchen zu orientieren, so sei z.B. inzwischen nachgewiesen, daß es eine (ausdrücklich so verstandene) Zelebration zum Volk hin nie gegeben habe (wohl den Umstand, daß bei der durchgängig geosteten Zelebrationsrichtung in gewesteten Kirchen das Volk dem Zelebranten gegenüberstand – der Verf.),
- ihrem eigenen Ziel nicht gerecht geworden sei, daß die Gläubigen bewußter und tiefer an den Geheimnissen teilnehmen, denn religiöses Grundwissen wie Kirchbesuch der Katholiken seien heute dramatisch gering, ja man stehe vor einem religiösen Desaster,
- widerspreche dem Bedürfnis des religiös suchenden Menschen, in den Raum der Heiligkeit einzutreten, in dem mir ein „göttlicher“ Ritus gegeben ist, der nicht unserer Verfügung unterliegt,
- in ihren konkreten (über die Rubriken des Meßbuchs weit hinausgehenden) Formen zu einer banalen Gemeinschaftsfeier geführt habe, in der viele etwas beitragen, in der eine Haltung des Anspruchs, der Kritik, des ständig neu Gestaltens prägend und in der Ehrfurcht, Heiligkeit und die Dankbarkeit, hinzutreten zu dürfen, verschwunden seien.
Das Publikum applaudierte lang und laut nach dem Beitrag von Herrn Mosebach. Einige natürlich nicht (und das möglichst auffällig...).
Prof. Sternberg erwiderte im Ton konziliant und bestätigte zunächst die von Herrn Mosebach vorgetragenen Problemanzeigen. Nur wollte er nicht dessen Konsequenz teilen. Mosebach hatte gefordert, zum alten Ordo zurückzukehren – wenn nicht in der regelmäßigen flächendeckenden Feier, so noch im Sinne eines Maßnehmens für die Feier des Ordo Novus, wozu die gregorianische Messe möglichst für alle erreichbar gemacht werden müsse.
Prof Sternberg baute seine Erwiderung unter anderem auf diese Thesen auf:
- Die paulinische Messe habe eine andere Liturgietheologie: Das Volk – auch die eigens betonten Frauen – seien wesentlicher Bestandteil der Feier. Früher hätten sie zur Gültigkeit der Messe nichts beigetragen.
- Die Freunde der gregorianischen Messe seien häufig „Ästheten“ (klarer wäre "Ästhetizisten") und liefen daher Gefahr, sich angesichts des Glaubens- und Transzendenzverlustes des modernen Menschen in die Form zu flüchten; hiervor habe schon selbst der Ästhet Romano Guardini gewarnt.
- Die paulinische Messe sei durchaus eine kontinuierliche Entwicklung der römischen Messe und nichts Neues.
- Auch die gregorianische Messe sei „schlampig“ zelebriert worden, wie die paulinische durchaus würdig und sakral gefeiert werden könne; im übrigen seien die liturgischen Mißstände eher ein Phänomen der 1970er und 80er Jahre als unserer Zeit.
- Der Ritus der römischen Messe bis 1965/69 sei natürlich auch das Ergebnis von Veränderungen.
- Im Übrigen sei die praktisch durchgeführte „Reform“ von der Landessprache bis hin zum „Umdrehen der Altäre“ nicht nur eine Frucht des Konzils. Es habe sich vielmehr um Befreiungsschläge gehandelt, auf die liturgische Katholiken zum Teil schon seit Jahrzehnten gewartet hätten.
- Das Problem dieser Befreiung sei, daß nur der sie zu schätzen wisse, der das "Rasseln der gefallenen Kette" noch hört. Und dies sei 40 Jahre danach nur noch bei den Älteren der Fall. Den Versuch, die genannten Probleme durch einen Schritt „40 Jahre zurück“ zu lösen, halte er für aussichtslos.
Auch Prof. Sternberg erhielt langen Applaus.
Im anschließenden Gespräch zwischen Sternberg und Mosebach wies zunächst letzterer den oft wiederholten „Ästhetizismusvorwurf“ entschieden von sich: Liturgie, ja Glaube, werde von Menschen vollzogen, und diese begriffen nun einmal mit den Sinnen.
Veränderungen in der alten Liturgie seien immer mit dem Ziel des Bewahrens oder der Rückkehr zum Alten, zum Kern vollzogen worden. Die Reform Pauls VI. hatte das Ziel des Änderns (z.B. Gebete zur Gabenbereitung, die früher den Eintritt ins Opfergeschehen ausdrückten, heute einem jüdischen Tischgebet ähneln).
Sternberg wies Mosebach einige historische Unstimmigkeiten nach. Mosebach blieb davon ungerührt. Er vertrat seinen Standpunkt weiterhin mit Vehemenz. Sterbergs suchte den Ausgleich („Wir sind da nahe beieinander.“). Es zeigte sich die Übereinstimmung in der Sicht der Probleme. Während aber Mosebach die gregorianische Messe als Lösung vorschlug, blieb Sternberg dabei, daß es im Ritus kein grundsätzliches Problem gebe, das sei eher im Glaubensschwund zu sehen, und da helfe der Ritus nichts.
In der engagierten Diskussion mit dem Publikum warf ein Priester Mosebach vor, er vertrete eine nicht zu verantwortende Gemeindetheologie, in dem er das Volk Gottes (wieder) entmündigen und der Macht des Klerus unterstellen wolle, was Mosebach leicht widerlegen konnte, indem er aufzeige, daß die gregorianische Messe viel „demokratischer“ sei, weil dort Priester und Volk gemeinsam unter dem Ritus stünden und dem Priester (und sonstigen Personen) kein Spielraum für eigenmächtige Veränderungen gegeben sei.
Die weiteren Äußerungen waren, soweit ich mich erinnere, ausschließlich „pro missa gregoriana“.
Am Ende entkräftete ein Pfarrer, der selbst regelmäßig die Messe in der gregorianischen Form feiert, die These Sternbergs von der anderen liturgietheologischen- und rechtlichen Situation in der paulinischen Messe (Volk als konstitutiver Bestandteil für ihre Gültigkeit), indem er darauf hinwies, daß es zur Zelebration der gregorianischen Messe immer wenigstens eines Meßdieners bedurfte und daß erst das paulinische Meßbuch einen eigenen Meßordo „sine populo“ eingeführt habe.Eine kirchenrechtliche Argumentation führe in dieser Sache nicht weiter, weil sie in der Praxis nicht von Interesse sei. Er äußerte die Vermutung, daß Papst Benedikt die „Alte Messe“ wieder allgemein zugelassen haben, damit es zu einer Versöhnung, zu einem unverkrampften Umgang mit beiden Formen der einen römischen Messe komme und die beiden Ordines sich gegenseitig bereichern. Er selbst entdecke die Dramaturgie der gregorianischen Messe als bereichernd, hier seien vor allem das Stufengebet, die gemeinsame Gebetsrichtung, die vielen Zeichen der Ehrfurcht und die Exaktheit der Zelebration zu nennen.
Ein großes Dankeschön gilt den Borromäern, die den Abend organisiert, und die Hausleitung des Bischöflichen Priesterseminars, die die Einladung an das „Schmuddelkind“ Martin Mosebach zugelassen und durch ihre Präsenz mitgetragen haben!
Übrigens habe ich dem Freund geantwortet:
„Wirklich zufrieden sein kann man mit dem gestrigen Abend nicht. (Übrigens fand ich Mosebach im Gespräch auch nicht ganz überzeugend - Herzblut allein hilft nicht.) Aber vergiß nicht: Das Ganze hat in der Aula des Priesterseminars - Domplatz 8 in Münster - stattgefunden; die Hausleitung, etliche Priester waren da. Das Thema ist in der Mitte angekommen. Nun muß es wirken - oder besser der Hl. Geist.
Daß den Altliberalen mit Argumenten nicht beizukommen ist, ist ja nichts Neues. Von Lebensalter und -geschichte her kann ich das sogar verstehen. Aber man hat miteinander gesprochen. Das wäre vor wenigen Jahren nicht denkbar gewesen.
Also: Freuen wir uns, erlöst zu sein (so ganz grundsätzlich sowieso und auch durch summorum pontificium), und überlassen wir den Rest betend und handelnd dem Lenker der Zeiten.“
2 Kommentare:
@ Am Ende entkräftete ein Pfarrer, der selbst regelmäßig die Messe in der gregorianischen Form feiert, die These Sternbergs
Dico: Lol
Andererseits hätte sich ein wirklich heiligmäßiger Mensch zu dem Zeitpunkt nicht bei Messiaen im Dom befunden!
Danke für die ausführliche Berichterstattung. Beide Argumentationsschienen wurden klar dargelegt.
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