Montag, 11. Juli 2022

Herford: Reichsstift, Münsterkirche und die heilige Pusinna


Waltger stellte sein Kloster unter den Schutz des Kaisers (damals Ludwig der Fromme). Es wurde 823 zur Reichsabtei erhoben, übernahm die Konstitutionen der Benediktinerinnenabtei in Soissons und erhielt 860 die Reliquien der heiligen Pusinna als Geschenk, einer gottgeweihten Jungfrau und so Vorbild für die Stiftsdamen. Pusinna wurde zur zweiten Patronin der Abteikirche.


926 überfielen Ungarn Herford, mordeten und zerstörten Kirche, Stift und Stadt.


1147 wurde das Stift „reichsunmittelbar“. Die Äbtissinnen wurden zu Fürstäbtissinnen, zählten somit zu den mächtigsten Frauen im Heiligen Römischen Reich und waren später auf den Kreistagen des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises vertreten. Ihre sakrale Würde wird daran deutlich, daß sie bei ihrer Inthronisation auf den Altar gesetzt wurden, wie im Kirchenführer zu lesen ist. Wegen dieser Würde entschließt man sich 1220 zu einem repräsentativen Neubau der Abteikirche – dem heutigen Bau, der den Vergleich zu westfälischen Kathedralen nicht zu scheuen braucht und die Kirche des in der Würde gleichrangigen Reichsstifts Thorn weit übertrifft.


Die Bürgerschaft der um das Stift herum entstandenen Stadt konnte nach und nach Freiheiten vom Stift und kaiserliche Privilegien erringen. So wurde Herford im Spätmittelalter zur freien Reichsstadt, übrigens auch zur Hansestadt.


Die "sieben Sonnen" (vergoldete Kupferscheiben) erinnern an die Gründungslegende von Stift und Stadt Herford (siehe Hauptartikel):



Dies ist nicht die alte Abtei, sondern das 1917 vollendete Rathaus, das an ihrer Stelle errichtet worden ist.




"Paradies", Eingangshalle des westlichen Nordportals, ursprünglich als Kapelle des Kalands errichtet:




Die kathedralartige Münsterkirche hat wie der Dom zu Münster zwei Querhäuser und Domikalgewölbe:


Der Lettner wurde erst im 19. Jahrhundert abgerissen. Der Kreuzaltar blieb erhalten und dient heute wie damals als "Volksaltar".



Hochchor, typisch ostwestfälisch mit geradem Chorschluß. Vormals war er ein Joch kürzer und hatte eine Apsis. Vermutlich wurde er wegen der Gräber erweitert. Ob das spätgotische Hochaltarretabel unvollendet blieb oder gestutzt worden ist, ist nicht bekannt:




An der barocken Kanzel sind die Evangelisten dargestellt, hier der heilige Johannes:



Gut katholisch: Apostelfiguren an den Pfeilern. Jetzt fehlen nur noch die Apostelleuchter.



Taufstein (um 1490) unter dem "Schlafhaus" genannten Damenchor im nördlichen Ostquerhaus:




Diese große steinerne Figur des heiligen Christophorus war erst 1520 angeschafft worden. So beließ man das Bild des Nothelfers gegen einen jähen Tod - Reformation hin, Luther her.



Die Westfassade ist eher unscheinbar, weil hiervor die Abtei stand.



Die St. Wolderus- oder Waltgerikapelle, wo der als heilig verehrte Gründer (oder doch nicht?) des Stiftes und damit auch der Stadt Herford begraben liegt. Sie war ursprünglich in den Kreuzgang integriert. Der jetzige Bau ist barock und dient als Kirche des heiligen Nektarios der griechisch-orthodoxen Gemeinde. Ein beflissenes Gemeindemitglied verbot mir, die vollständig ausgemalte Kirche von innen abzulichten.




Dieses moderne Denkmal von Stift und Stadt Herford zeigt in der Mitte die recht üppig (nährend) dargestellte Gottesmutter als Patronin von Stift und Stadt, die den heiligen Gründer Waltger auf dem Schoß trägt.

Die Steinstelen davor - angeordnet wie ein Chorgestühl, stehen für die 14 Stiftsdamen und (die vier niedrigen links) für die vier Kanonikerpriester am Stift.

Die "Chorwangen" vorne stehen für die Kirche (Tiara und Petrusschlüssel rechts) und das Heilige Römische Reich (Kaiserkrone und Reichsapfel links).



zum Hauptartikel Herford


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