Zur Lesung am Donnerstag der 4. Fastenwoche (Ex 32, 7-14) hat jemand gefragt:
Wie ist die Lesung zu verstehen? Sind das menschliche Züge bei Gott? Lässt er sich auch von Satan verführen? Oder wie kommt unser allmächtiger und gütiger Gott zu 'bösen' Gedanken, und warum muss Gott Reue empfinden, noch dazu auf menschliche Intervention (Mose)?
Ich habe geantwortet:
Nicht nur diese Lesung ist verstörend, sondern z. B. auch der Befehl an Israel, die Völker im Gelobten Land zu vernichten, und daß er zuvor, um sein Volk aus Ägypten zu befreien, unzählige unschuldige ägyptische Soldaten (Familienväter) hat über die Klinge springen lassen.
Gott hat in den frühen Büchern des AT nicht nur allzu menschliche Züge, sondern z. T. einen geradezu miesen Charakter, der sich erst im Laufe der Zeit läutert.
Wenn Du mal Zeit für ein gutes, aber dickes Buch hast, lies dazu von Jack Miles: Gott. Eine Biographie. Das ist natürlich (hoffentlich!!!) keine wirkliche Beschreibung der Entwicklung Gottes, der ja ewig und vollkommen ist, sondern legt dar, wie sich sein „Charakter“ in der Bibel entwickelt. Am Ende des AT ist er übrigens stumm und fern.
Man muß die Bibel immer im Ganzen sehen. Ohne das Evangelium bleibt Gott hinter einem Schleier.
Mit dem Evangelium liest sich die Lesung von Christus her: Mose ist eine Präfiguration Christi. Er springt für das sündige Volk vor Gott in die Bresche, und Gott läßt sich von seinem Gebet am Kreuz („Vergib ihnen…“) bewegen.
Hier stellt sich natürlich die Frage, warum Gott sich erst von Christus hat bewegen lassen müssen/wollen.
Meine („ketzerische“) Vermutung: Weil er als reiner Geist die Unvollkommenheit der Menschen nicht kannte. Erst durch seine Menschwerdung hat er „gelernt“, wie es sich in unserer Haut anfühlt. Und da Christus ja wahrer Gott und wahrer Mensch ist, hat er in ihm ja quasi zu sich selbst für uns gebetet.
In der Messe vom Donnerstag wird übrigens zum Offertorium „Precatus est Moyses“ (Mose hat gebetet) gesungen, eines der „prophetischen Offertoria“ - siehe hier ab S. 3.
1 Kommentar:
Auf die Gefahr hier eine weitere Ketzerei in die Welt zu setzen: Glaub ich so nicht. Gott ist immer der selbe Gott, wir sind die, die sich geändert haben. Gott spricht anders mit uns, weil wir uns geändert haben, nicht weil er sich entwickelt hat. Ich krieg das Ding mit dem freien Willen auf unserer Seite, der Geschaffenheit von Raum und Zeit und der Ewigkeit Gottes intellektuell nicht geknackt, muss ich ja auch nicht, ich kann es abwarten und ich denke nicht, dass ich nach dem Gericht noch Fragen haben werde.
Sich erstmal unseren Erwartungen bzw. der Erwartung von Halbnomaden nach dem Kollaps der bronzezeitlichen Zivilisationen anzupassen, war echt schlau und was die sich unter einem Gott vorstellten, können wir ja relativ gut nachvollziehen.
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