... war der 75jährige Pfarrer em. der die Tochter meines Cousins getauft hat: Er hatte jahrzehntelang eine große Pfarrei im Ruhrgebiet geleitet, die inzwischen kleingeworden und aufgelöst ist infolge der Tatsache, daß die ehedem italienischen und daher katholischen Gastarbeiter auf seinem Pfarrgebiet durch türkische und darum weniger katholische ersetzt sind. Nun lebt er als Emeritus in einem leergewordenen Pfarrhaus.
Er kam bekleidet mit Chorkleidung und ca 25 cm breiter schiefsitzender Stola (in Fachkreisen wird die priesterliche Insignie ab einer Breite von 12 cm "Potenzstreifen" genannt), machte das Kreuzzeichen und grüßte "Der Herr sei mit euch!" (beides ist weder im Ordo Novus noch im Ordo Originis vorgesehen).
Er forderte die Gemeinde dann auf, sich zu setzen, was sie auch tat.
Bemerkenswert war, daß er die Fragen nach dem Namen, der Bereitschaft zu christlicher Erziehung und Übernahme des Patenamtes nicht als Frage, sondern als Aufforderung formulierte: "Seien Sie sich dieser Aufgabe bewußt!")
Was muß er schon alles erlebt haben, daß er den Gläubigen noch nicht einmal mehr zurtraute, diese einfachen Fragen zu beantworten! Wohl zu oft waren die Befragten stumm geblieben.
Der Glaube wurde konsequenterweise auch nicht erfragt, die Allerheiligenlitanei zwar angekündigt aber nicht gebetet, dafür aber sowohl die Katechumenen- als auch die Chrisamsalbung gespendet. Das Taufkleid berührte er zwar kurz, ließ es aber liegen mit der Bemerkung, es sei zu warm.
Abgesehen davon, daß manches von seinem Tun eine Folge seines Alters war, so war diese Taufe für mich ein Schlüsselerlebnis: Wir standen - obwohl die Taufgemeinde durchaus katholisch sozialisiert und gläubig war - vor den Trümmern der zusammengebrochenen Volkskirche, geronnen in den Erfahrungen dieses an sich sympathischen alten Priesters. Er traute dem Volk nichts mehr zu. Er tat das, was er als Priester zu tun hatte, verband es pflichtbewußt mit viel katechtischen Ermahnungen, rechtete aber gar nicht mehr damit, daß es gläubige und voll initiierte Katholiken gibt.
2 Kommentare:
Scheiße, was können Kasualien frustrierend sein (und das für beide Seiten)!
Na für den Täufling letztendlich ja nicht!
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