Sonntag, 29. August 2021

Lütjenburg (St. Blasii und) St. Michaelis

Als ich 2021 die z. Zt. lutherische Kirche von Lütjenburg betrat, fand ich in der Turmhalle ein an die Gottesmutter (!) gerichtetes „Gebet von Papst Franziskus um ein Ende der Pandemie“ (für die Nachwelt: Coronaseuche). Bemerkenswert wie auch manch anderes in dieser Kirche.


Zunächst ein Rundgang um die Kirche:





Im Ersten Weltkrieg hatte die Gemeinde viele Tote zu beklagen:



Der Turm ist laut ausliegendem Kirchenführer - von den Seitenkapellen abgesehen - der jüngste Teil des Gebäudes, laut Wikipedia der älteste.




Nach den Kirchen in Starigard/Oldenburg und Altenkrempe wurden auf Geheiß Bischof Gerolds von Oldenburg/Lübeck und Adolfs II. Graf von Schauenburg weitere Kirchen im neu errichteten Bistum gegründet, zunächst in Lütjenburg und Ratekau, so berichtet Helmold von Bosau in seiner Slawenchronik (Text).


Lütjenburg - vom Namen her ("kleine Burg") ein germanischer Siedlerort - liegt in einem seit vor- und frühgeschichtlicher Zeit besiedelten Gebiet. Hier lebten um 12. Jahrhundert Wenden (Slawen). Bischof Gerold und Graf Adolf wählten die Gegend für die germanische Kolonisation und christliche Mission aus.


Die Kirche in Lütjenburg wurde dem heiligen Blasius geweiht, Schutzpatron des welfischen Herrscherhauses, an dem Gerold zuvor als Hofkaplan gedient hatte. Vielleicht im Zuge der Reformation erhielt sie das Patrozinium des heiligen Michael, aber St. Blasius ist nicht vergessen: Er ziert bis heute das Kirchensiegel.


In der 1156, spätestens 1163 errichteten provisorischen Holzkirche feierte Bischof Gerold zum letzen mal vor seinem Tod die heilige Messe. Um 1220/30/40 (je nach Quelle) errichtete man die heutige romanische Saalkirche aus Backstein. Das zwei Joche lange Kirchenschiff mit Kreuzgratgewölbe ist erhalten. Der romanische Kastenchor wurde 1260/80 durch einen frühgotischen zweijochigen Chorraum mit Kreuzrippengewölbe ersetzt - vermutlich von Cismar inspiriert. 


In der Turmhalle:




Das Kircheninnere von Westen. Noch im DKV-Kirchenführer von 2012 stehen die Bänke rechts auf die Kanzel hin ausgerichtet und unter dieser Stühle. Die aktuellen Pastorinnen (siehe letztes Bild) scheinen also gute Arbeit zu machen oder den Kirchenvorstand machen zu lassen.



Die Kanzel von 1608:



Zwei später zu Ehren von Heiligen angebaute Kapellen wurden nach der Reformation zu Grablegen adliger Familien, gemeinsam Patronatsherren der Kirche. ("Wo der Herr verschwindet, kehren die Herren wieder.") Im Norden befindet sich die Gruft derer von Reventlow (damals u. a. auf Waterneverstorf) mit freistehendem Renaissancegrabmal aus Alabaster und Sandstein für Otto von Reventlow, seine Frau und deren vier Kinder. (Otto ist hier übrigens nicht bestattet worden; das neugotische Fenster befand sich vormals im Chorraum.)



Die Gruft derer von Rantzau aus Neuhaus im Süden ist nicht öffentlich zugänglich. Sie ist/war Zugang zur Prieche der Rantzaus zu deren "Waterneverstorfer" Stuhl (wenn ich mich nicht irre; die Geschichte von Schleswig-Holstein ist kompliziert...).


Das Triumphkreuz wurde erstmals 1439 als "heiliges Kreuz" erwähnt, weil es ein Partikel des Kreuzes Christi erhält, und zur Wallfahrt empfohlen.



Der schmucklose Taufstein aus Granit ist seit der Gründung der Kirche erhalten. Darüber schwebt ein barocker Taufengel (vermutlich von Theodorus Schlichting):





Das Wehen des Heiligen Geistes:



Der Altar mit Retabel von 1467 ist so fein geschnitzt, daß man einst fälschlicherweise annahm, er sei ohne farbliche Fassung geblieben. Vermutlich ist er vom Lübecker Meister Bertil geschnitzt worden, der sich als heiliger Joseph in der Dreikönigstafel verewigt hat (drittes Bild):






Nördliches Kapitell am Altarjochbogen: die Erlösten (gegenüber die Unerlösten, ohne Bild):



Blick nach Westen mit der Becker-Orgel von 1964:



Romanische Malerei im westlichen Gewölbe:



Kirchen in Ostholstein


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