Samstag, 28. Juli 2018

Rott am Inn - ehem. Abteikirche SS. Marinus und Anianus




In Rott am linken Ufer des Inns, also nicht mehr im Chiemgau, steht die heutige Pfarrkirche SS. Marinus und Anianus - ausführlicher Kirchenführer hier. Sie war die Abteikirche eines spätestens 1085 vom Pfalzgrafen Kuno I. und dessen Sohn Kuno II. gegründeten Benediktinerklosters.

Die auf einer Anhöhe liegende Kirche birgt in ihren Außenmauern und Türmen noch romanische Bausubstanz, wurde aber - und das ist hier weit und breit eine Ausnahme - nicht barockisiert, sondern (jetzt tapfer bleiben und weiterlesen) im Stil des Rokoko fast vollständig neu gebaut. Und, liebe nicht-alpenländische Leser: Das Ergebnis überzeugt. Vorzügliche Raumkomposition, kongeniale Stuckatur (das Blau ist mit Kobaltglas, das Rot mit Inn-Lehm gemacht, wie ich hörte), erlesene Farbwahl und Ausstattung, Figuren, die zugleich im Raum präsent und erhebend sind.

Das Werk steht an der Schwelle zum von mir wenig geschätzten Klassizismus: Rechte Winkel klare Proportionen, Verzicht auf illusionistische Malerei (die in Rott aber noch zu finden ist).


Die Kirche nimmt den Vergleich mit der Wieskirche nicht nur locker auf. Ich meine, sie übertrifft sie sogar; sie nimmt den Besucher freundlich für sich ein und führt ihn zu Höherem.


Blick von Osten:





Hier liegt ER: ;-)


Barbara-Fresko an der Südwand (14. Jh.):




Fassade: 



In der Vorhalle (unter der Orgelempore) befindet seit der Errichtung der heutigen Kirche das Stiftergrab, das vordem natürlich seinen Platz im Hochchor hatte - eine Demonstration der Würde des Klosters.





In den vier Ecken des Raumes stehen Beichtstühle, (auch bei Nichtbenutzung) ein Zeichen für die Vorbereitung für den Eintritt ins Heiligtum. Die - sagen wir mal - Putti symbolisieren Tod (südwest), Gericht (nordwest), Himmel (nordost) und Hölle (südost).







Raumeindrücke, Kuppeln, Hochaltar und Kanzel:







Langhauskuppel: Der Tod des heiligen Anianus:


Weihekreuze/Apostelleuchter mit den Heiligenattributen:


Der Hochaltar wird flankiert vom heiligen Kaiserpaar Heinrich (mit dem Bamberger Dom) und Kunigunde, die den Benediktinerorden förderten. Neben dem Bild stehen die heiligen Korbinian (Bär) und Ulrich (Fisch, über ihm das Ulrichskreuz).





Chorkuppel: Der Tod des heiligen Marinus:



  





Erst im Rokoko ist man - horribile dictu - von der Ostung der Altäre abgewichen: Um der Raumwirkung als "Thronsaal Gottes" und der erhebenden Durchblicke willen hat man sie hier "dekorativ" um den zentralen Hauptraum herum angeordnet. 

Der Peter-und-Paul-Altar im Norden neben der Kanzel:



Die Reliquien des heiligen Martyrers Constantius (ist es der? - man hat damals die Katakomben bei der Suche nach Martyrerreliquien eifrig "leergeräumt"...):




Der heilige Sebastian:


Der Marienaltar im Süden:


Ist der liebevolle Pflegevater Joseph nicht wunderbar?



Die Reliquien des heiligen Martyrers Clemens, wie der heilige Constantius aus römischen Katakomben "gewonnen" (welcher Clemens es ist, entzieht sich meiner Kenntnis):


Der heilige Florian ("Schütz unser Haus, zünd andre an!")


Scholastika-Altar im Südosten:


Benedikt-Altar im Südwesten mit der Büste des heiligen Diakons Anianus, die für die bedeutenste Rokokoplastik des Alpenraums gehalten wird, und späterem, suboptimalem Altarbild. Die Begleitfiguren beschreiben die mir bis dahin nicht bekannten fünf Verheißungen Gottes an den heiligen Benedikt:






Quinque sunt, Benedicte, quae tibi concedit Deus:
Fünf Dinge sind es, Benedikt, die dir Gott gewährt:

I. 
Ordo tuus stabit ad finem mundi.
Dein Orden wird bestehen bis zum Ende der Welt.

II. 
In fine mundi pro Ecclesia Romana certabit fidelissime.
Bis zum Ende der Welt wird er für die Römische Kirche treu streiten.

III. 
In eo nullus morietur extra statum gratiae.
In ihm wird keiner außerhalb des Standes der Gnade sterben.

IV. 
Omnis qui Ordinem tuum persequetur nisi respiciat vita ei abbreviatur aut mala morte peribit.
Jeder, der deinen Orden verfolgt oder nicht beachtet, dessen Leben wird verkürzt oder er wird eines üblen Todes sterben.

V. 
Omnes qui Ordinem tuum diligebunt, bonum finem habebunt.
Alle, die deinen Orden lieben (werden), werden ein gutes Ende haben.

Johannes Nepomuk-Altar im Nordwesten mit der Büste des heiligen Marinus:



Im Nordosten der Annen-Altar mit den höfisch gekleideten heiligen Katharina und Elisabeth, welche dem jungen Bettler grazil eine Münze in den Hut fallen läßt:



In den westlichen "Seitenschiffen" finden sich (geostet):

im Süden der Franz-Xaver-Altar mit im besten Sinne volkstümlichen Figuren der heiligen Bauernpatronen Notburga und Isidor:





im Norden der Leonard-Altar - rechts der heilige Petrus Damiani, bemerkenswert "feinnervig" und gelassen bis arrogant dargestellt, links der heilige Leo:


Seitlich der Eingangshalle finden sich:

nach Norden gerichtet der jüngere Kreuz-Altar mit dem heiligen Dismas, dem reuigen Schächer, und der heiligen Kaiserin(mutter) Helena, die in Jerusalem u. a. das Kreuz Christi fand:




nach Süden gerichtet der Magdalenen-Altar (keine Bilder).

Neben dem Hochchor geht es zur Sakristei. Hier findet man (in beiden Türmen) noch Mittelalterliches:





Über der Sakristei, hinter dem Hochaltar befand sich zu klösterlichen Zeiten der Psallierchor mit einem mittelalterlichen Chorgestühl. Hiervon ist leider nichts erhalten.



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