Montag, 28. Oktober 2024

Reichenau: St. Georg Oberzell

Die von Abt Hatto III. nach 888 erbaute und im Zustand aus dem 10./11. Jh. erhaltene Kirche St. Georg in Oberzell birgt nicht nur das Haupt des hl. Georg, sondern ist auch wegen der Wandmalereien aus dem 10. Jahrhunderts sehenswert, die die Kunst der Reichenauer Buchmalerei ins Großformat übertragen.


Nachdem die Reichenau zum UNESCO-Welterbe erklärt worden ist, kann man die Kirche - zum Schutz der Malereien - im Sommer nur bei einer kostenpflichtigen Führung betreten.




Die Malereien im Mittelschiff schildern (von Nordwest nach Südwest) die Wunder Christi (unten Einzelaufnahmen).



Im "Tabernakel" des Hochaltars befindet sich die Schädelreliquie des hl. Georg.




Am östlichen Ende der Nordwand ("Frauenseite") zerren Teufel an einer Kuhhaut, auf die Lästereien von Frauen geschrieben sind, die ihnen beim Jüngsten Gericht vorgehalten werden:



Das gegenüberliegende Gerichtsbild für die Männer ist (bemerkenswerterweise) gelöscht und durch einen romanischen Kruzifixus ersetzt:


Barocke St.-Georgsfigur mit Reliquiar im Südchor:


Die Westapsis mit einer barocken Darstellung des Jüngsten Gerichts:


Die Bilder von den Wundern Christi im Mittelschiff im einzelnen (von Nordwest nach Südwest, in Farbe und Kontrast zum leichteren Erkennen verstärkt - dazu bitte anklicken):

1: Heilung des Besessenen von Gerasa (Mk 5, 1-20)
2: Heilung eines Wassersüchtigen (Lk 14, 1-6)


3: Beruhigung des Sturms auf dem See Gennesareth (Mk 4, 35-41)
4: Heilung des Blindgeborenen (Joh 9, 1-41)


5: Heilung eines Aussätzigen (Mk 1, 40-45)
6: Auferweckung des Jünglings von Nain (Lk 7, 11-17)


7: Auferweckung der Tochter des Jairus und Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5, 21-43)
8: Auferweckung des Lazarus (Joh 11, 1-45)


Mittelzell: Abteikirche St. Marien und St. Markus

Niederzell: SS. Peter und Paul



Sonntag, 27. Oktober 2024

Reichenau: Ausstellung "Welterbe des Mittelalters - 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau"


1300 Jahre nach der Gründung der Klosterinsel Reichenau durch den hl. Pirmin gab es 2024 in Konstanz eine Ausstellung, bei der man die kostbarsten Bücher der Welt, eine der ältesten Glocken des Abendlands und den ältesten Wetterhahn bestaunen konnte - zudem die "Raumfunktionen" des St. Galler Klosterplans. (Liste der Reichenauer Handschriften)


Eine der ältesten erhaltenen Glocken des Abendlandes (Handglocke aus dem von Pirmin gegründeten Kloster Hornbach, um 800, so groß wie eine Menschenhand): 



Der Weihrauchlöffel im Bild unten ist das einzige erhaltene frühmittelalterliche liturgische Gerät aus dem Kloster Reichenau (9. Jh.?): 


Karolingischer Wetterhahn, der älteste seiner Art (9. Jh.) aus dem Benediktinerkloster St. Faustinus in Brescia (hier und hier): 


Armreliquiar der hl. Verena (siehe auch hier) aus dem zur Reichenau gehörenden Kloster Zurzach (um 1300), wo Verena Kranke und Bedürftige versorgte, wusch und kämmte. Letzteres ist im Reliquiar ausgedrückt: 


Die Raumfunktionen des auf der Reichenau gemalten St. Galler Klosterplans

Die geistliche Richtung geht von West (Sonnenuntergang, "Welt", Böses) nach Ost (die aufgehende Sonne steht für Christus). So ist zu verstehen, daß Ziegen und Schafe (Pergamentlieferanten) ihren Ort im Westen haben und noch weiter westlich die Schweine und Pferde, Kranke wie der Friedhof aber im Osten. Daß dort aber auch die Novizenkapelle liegt, ist bemerkenswert. So sollen die "Neulinge" am Beginn ihres Weges mit dessen Ziel vertraut werden. 





Ost- und Westchor der Klosterkirche: 



Die "Vita des hl. Kolumban des Älteren" (Vita S. Columbani), verfaßt von Abt Adamnan von Iona (Irland, 7./8. Jh.), von Irland auf die Reichenau gelangt:


"Gallischer", "Zürcher" oder "Reginbert-" Psalter in alemannischen Minukeln, eines der ältesten Bücher von der Reichenau (um 825) - so laut Informationstafel:


"Hornbacher Sakramentar", auf der Reichenau für Abt Adalbert von Hornbach (reg. 972-993) geschrieben:


Der "Gero-Kodex", die älteste Reichenauer Prachthandschrift mit figürlichen Darstellungen, geschrieben kurz vor 969 von einem Schreiber namens Anno für den Kölner Domherren und späteren Erzbischof Gero:


Das "Limburger Evangeliar" (Anfang 11. Jh.), eines der am reichsten ausgestalteten mittelalterlichen Evangelienbücher. Die auf das Wesentliche reduzierte Darstellung und der beherrschende Goldgrund bewirken eine geistliche Intensität. Die Wirkung des Goldes kann man nicht photographieren; es entfaltet sein "überirdisches" Schimmern nur, wenn man davorsteht. 


Festtagsevangeliar mit Kanontafeln des hl. Eusebius von Caesarea (zusammengestellt, Reichenau um 1030 und um 1050)...

- der Tod Mariens:


- der Anfang eines Abschnitts aus dem Lukasevangelium (Besuch Jesu bei Martha und Maria Lk 10, 38-42). Das Wort Jesu ("Aber eines nur ist notwendig. Maria hat den guten Teil erwählt, der wird ihr nicht genommen werden.") hat hier eine prächtige Frucht hervorgebracht:


Diese Handschrift aus dem frühen 9. Jh. wird in der Ausstellung "Schulheft eines irischen Mönches" genannt, "ein außergewöhliches Zeugnis der karolinigschen Bildung". Weiter heißt es: "Zu verschiedenen Themen wie etwa Astronomie oder lateinische Literatur notierte der Autor (ein anonymer Reichenauer Mönch) seine Anmerkungen. Eingestreute irische Gedichte - etwa zu Pangur Bán, der weißen Katze - machen das Schulheft einzigartig und belegen die Verbindungen der Reichenau nach Irland." 


Links der Teil einer 1973 ausgegrabenen Altarschranke aus SS. Peter und Paul Niederzell, die (rechts dargestellt) Verbindungen zu Reliefs aus Venetien zeigt. Auf der Informationstafel heißt es: "Es ist davon auszugehen, dass Bischof Egino von Verona um das Jahr 800 italienische Werkleute für seinen Kirchenbau auf die Reichenau mitbrachte":


Dienstag, 1. Oktober 2024

Konstanz (Marienmünster, Rheinkilometer Null) und Meersburg


Konstanz, 1200 Jahre lang Bischofssitz im heute schweizerischen, französischen und deutschen Alemannien, liegt am Ausgang des Bodensees auf der linken Rheinseite, also mit einer Festlandsgrenze zur Schweiz. Die Brücke zur rechten ("festlandsdeutschen") Rheinseite ist historisch bedeutsam und markiert übrigens den Rheinkilometer Null.


Hier hat das Konstanzer Konzil stattgefunden, aber die Konzilshalle habe ich nicht besucht.


Ein Blick von der rechten Rheinseite...



... mit der Marke "Rheinkilometer Null" an der Rheinbrücke (für einen bei Kilometer 800 lebenden Niederrheiner durchaus "erotisch")...



... von der aus man links den Bodensee...



... und rechts den "Seerhein" sieht, der in den Hochrhein übergeht (da kommt dann noch der Rheinfall von Schaffhausen; durchgängig schiffbar ist der Rhein erst ab Basel, dann "Oberrhein" genannt):



Die Konstanzer Altstadt ist mittelalterlich-bezaubernd. Hier ein Blick zum Münster, der einstigen Kathedrale (z. Zt. Erzbistum Freiburg):



An den hell verputzen Wänden des Obergadens erkennt man den ab 1054 errichteten Kern des heutigen Baus, dessen Ursprung auf 585/590 zurückgeht:


Die Turmhalle...



... mit den wundervollen gotischen Portalen (15. Jh.?)...



... und den ungewöhnlicherweise außen angebrachten Weihwasserbecken:


Das Mittelschiff mit Chorraum. Die Arkaden sind von 1054; der Rest wirkt langweilig... 




Blick nach Westen mit Orgel


Seitenkapellen im Norden mit Madonna: 


Das Nordquerhaus (Thomaschor) mit der Rückseite des Chorgestühls ...


... dem Thomasaltar (Barock, Figuren um 1683 von Christoph Daniel Schenck, Umbau mit Zufügung des Kruzifix, der Pelagius- und der Thomasstatue von Carlo Pozzi, Como, 1779), ...


... dem "Schnegg" genannten spätgotischen Treppenturm (Meister Antoni, 1438-1446)...



... und der Darstellung des Todes Mariens (1460-80) über dem Grab des Domherrn Soler von Richtemberg, † 1469) mit dem Ölbild "Aufnahme Mariens in den Himmel" von J. B. Hengartner (1873):




In der Krypta kommt man (im Norden) zunächst in die Konradikapelle mit den Reliquien des hl. Konrad...


... und dann in die Mittelkrypta unter dem Hochchor, wo sich im Westen das Grab des hl. Pelagius befindet, des Patrons der Stadt und des ehemaligen Bistums Konstanz...


... und im Osten eine feuervergoldete Kupferscheibe aus der Mitte des 10. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Reichenauer Buchmalerei, auf der steht: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt, und ich will euch erquicken" (vgl. Mt 11, 28). Hier gibt es noch drei weitere Scheiben dieser Art. Alle vier waren von spätestens 1300 bis 1925 am äußeren Ostgiebel des Chors zur Seeseite hin angebracht:


Im Kreuzgang, von dem nur Nord- und Ostflügel erhalten sind, ...


... sind Wappen (vermutlich von Bischöfen und Domherren) aufgehängt:


Hier kommt man in die Kapelle des Heiligen Grabes (Mauritiusrotunde) (940 erbaut, 1300 gotisch erneuert). Sie imitiert den konstantinischen Zentralbau über dem Grab Christi in der Jerusalemer Grabeskirche im Maßstab 1:2. 

Die zwölfeckige Nachbildung der Heiligen Grabes (früher in der Karliturgie für die Aufbewahrung des Allerheiligsten verwendet) ist um 1260 unter dem Einfluß der französische Gotik der Île-de-France entstanden, wie sich vor allem an den Figuren zeigt: 


Außen sind (im Bild links mit der Verkündigung beginnend, rechts mit der Anbetung der hll. drei Könige endend) Szenen aus der Menschwerdung Gottes dargestellt...


... hier die Heimsuchung (Lk 1, 39-56):


Im Inneren befindet sich ein österlicher Figurenzyklus, der mit dem Salbenkauf beginnt (vgl. Mk 16, 1), hier der Apotheker/Salbenverkäufer (lt. Auskunftstafel Hippokras mit Namen) der gerade, mit einem modernen Paar Beryllien auf der Nase, die Öle zur Einbalsamierung des Herrenleibes bereitet:


Gegenüber von Konstanz am nördlichen Bodenseeufer liegt Meersburg. Den Kern des Ortes bildet eine Burg (vielleicht eine merowingische Befestigung am Fähr-Übergang der Straßenverbindung von Oberschwaben über Konstanz nach Rätien), die in den Besitz der Bischöfe von Konstanz überging und ab 1526 als bischöfliche Residenz diente, nachdem sich Konstanz der Reformation angeschlossen hatte. Die Burg war bis zur Fertigstellung des Neuen Schlosses 1750 ständiger Wohnsitz des Konstanzer Bischofs. (Quelle)

Bei der Fahrt über den See...


 ... flog angemessenerweise ein Zeppelin (genauer: ein Blimp) darüber:


Die Stadt ist allerherzigst:



Die Kapelle des Neuen Schosses steht zwar z. Zt. u. prot. Verw. ...


... aber ein Putto mit Mitra bildet eine "gefährliche Erinnerung" an die normalgläubige (katholische) Geschichte:


Blick von der Schloßterrasse in Richtung Konstanz: 


Die alte Burg: 


Reichenau:
- Mittelzell: Abteikirche St. Marien und St. Markus
- Niederzell: SS. Peter und Paul