Dienstag, 15. April 2014

St. Bernhard Obermeiderich

Sie war einst nur eine "Ruhrgebietskaschemme", meine Heimatkirche St. Bernhard in Duisburg-Obermeiderich, ist heute schön und ein bedrohtes Kleinod. Hier lernte ich den Glauben und die Kirche kennen und lieben. Ich glaube, es war der Pantokrator, unter dem übrigens damals noch das Tabernakel stand (s.o.).


Zur Finanzierung des Kirchenbaus hatte der dazu 1895 gegründete Kirchenchor durch Konzerte beigetragen - eine damals im Ruhrgebiet übliche Methode bei der Neugründung einer Pfarrei.


Am 15. Mai 1898 weihte der Pfarrer der Mutterpfarrei St. Michael Meiderich den Grundstein der neuen, zunächst als Provisorium zu errichtenden "Notkirche". Man wählte den heiligen Bernhard von Clairvaux zum Kirchenpatron. Die "Einsegnung" erfolgte 20. November 1898, wie es in der Schrift "Kath. Pfarrgemeinde St. Bernhard Duisburg-Obermeiderich" heißt. (Vermutlich war das wirklich keine Kirchweihe, weil man ja noch eine "richtige" Kirche bauen wollte.) Erster Pfarr-Rektor wurde an diesem Tag Dr. Johannes Scheifes. Dieser wurde später Weihbischof des Bistums Münster, zu dem Meiderich damals gehörte.


Wenig später errichtete man ein massives und die Kirche überragendes Pfarrheim mit einem großen Saal, das "Jugendheim", in das offenkundig mehr investiert wurde, als in die Kirche. Diese blieb so eine "Notkirche"... 


Der einst dienstälteste Pfarrgemeinderats- und zuvor schon Pfarrkomiteevorsitzende Deutschlands Josef Baumeister pflegte übrigens zu sagen: "Wenn hier niemand mehr an Gott glauben würde, ginge das Leben im Jugendheim unvermindert weiter." (...)


Am 31. März 1903 wurde St. Bernhard mit 3300 Katholiken unter 8665 Einwohnern zur Pfarrei erhoben und damit von St. Michael abgepfarrt.


Die Notkirche erlitt im Zweiten Weltkrieg einige kleinere Schäden. Sie wurde unter Pfarrer Martin Venbrocks (Pfarrverwalter seit 1946, Pfarrer 1947-1972) ab 1948 in einer "endgültigeren" Form erneuert. Architekt war Heinz Bley aus Rheinhausen. 


Das Innere wurde im Stil der Zeit "bereinigt", Gewölbe und Fenster im Chorraum entfernt, nördlich des Chores eine Taufkapelle eingerichtet, die großen Rundbogenfenster an den Seiten zu Segmentbogenfenstern verkleinert (vermutlich auch aus thermischen Gründen), die trapezförmige Holzdecke durch eine "pseudobasilikale" ersetzt, die historistische Malerei übertüncht. 1952 wurde ein für den Niederrhein ungewöhnlicher Westriegel an- und eine Orgelbühne eingebaut. 


Die renovierte Kirche wurde von Weihbischof Heinrich Baaken am 14./15. 8. 1953 geweiht. 


Es folgten die Orgel (1954, s. u.), der Taufstein (1957, s. u.), die spärlich ornamentierten Fenster (Fa. Scholl Duisburg, 1958) und das Weihwasserbecken (1959, s. u.).


1962 kamen die von Heribert Reul in Sgraffito-Technik geschaffenen Bilder vom Pantokrator mit Elias und Johannes (als Deesis) in der Apsis und das von der Muttergottes mit dem hl. Bernhard an der südlichen Ostwand hinzu (s. u.), deren hohe Qualität den Maßstab für die weitere künstlerische Ausgestaltung legte.


Nach der Liturgiereform infolge des Zweiten Vatikanums wurde 1969 der heutige Altar angeschafft (s. u.).


Unter Pfarrer Raimund Falkenhagen kam es in den 1980er Jahren zu einer weiteren Renovierung, die nötig wurde, weil man an der unter Pfr. Venbrocks gebauten neuen Decke zu sehr gespart hatte. St. Bernhard wurde nun zu einem nachkonziliaren "Schmuckkästchen":


Claus Pohl schuf Ambo, Tabernakel, Leuchter und das Gitter vor der neuen Nische für den St. Bernhardsschein. Die Kirche bekam einen dezenten Farbanstrich mit der Andeutung eines "Gewölbes" im Chorraum. 


Der Altar wurde verkleinert und neue Sedilien angeschafft. Ein außergewöhnlicher Kreuzweg, Pilasterverkleidung mit Apostelleuchtern aus Naturstein und ein kostbarer Fußboden kamen hinzu (s. u.). Künstlerisch federführend und ausführender Steinmetz war dabei Hans-Gerd Berns.


Bei der großen Strukturreform des Bistums Essen ab 2006 stand St. Bernhard auf der "Abschußliste", ist aber erst einmal heil davongekommen. Als der "Verschonungsbeschluß" bekannt wurde, gab es in der feierfreudigen Gemeinde nach der Messe Sekt unter der Orgelbühne.


So wurde St. Bernhard Filialkirche der Gemeinde (ursprünglich Tochterpfarrei) "Christus unser Friede" im Hagenshof und ist zur Mutterpfarrei St. Michael Meiderich "heimgekehrt", die nun das ganze ehemalige Dekanat Ruhrort umfaßt. 


St. Bernhard ist dann am 30. 11. 2024 "außer Dienst gestellt" worden. Das "Jugendheim" wird vom "Verein zur Förderung sozialer Aufgaben in Obermeiderich e.V."* erhalten. 


Die oben erwähnte Prophezeiung hat sich bewahrheitet...


* Der Verein hat keine Netzpräsenz. IBAN: DE68 3505 0000 0200 0677 34, Sparkasse Duisburg



So sah die 1898 errichtete Notkirche aus, in deren Dachreiter schon damals die heute einzige Glocke von St. Bernhard läutete. Sie ist 1873 in Neuwied gegossen worden und kam (mit zwei weiteren als Spende zur Kirchengründung) von St. Michael Wanheimerort nach Obermeiderich.



Hauptportal von 1952:



Blick auf die noch erkennbare Notkirche von 1898 mit dem Westriegel von 1952:



Blick ins Innere mit den prägenden Sgrafitti von Heribert Reul wie Boden und Kreuzweg von Hans-Gerd Berns):



1907:



1940:



1951:


Die letzten drei Bilder stammen, wie die Skizze von der Notkirche oben, aus der Schrift "Kath. Pfarrgemeinde St. Bernhard Duisburg-Obermeiderich" (o. J.), die in den frühen 1970er Jahren erschienen ist.


Bild des umgestalteten Chorraums (um 1970) - Quelle


Die massive Bestuhlung in der Apsis dient eigentlich nur zur Tarnung der "Chororgel", einer Lautsprecheranlage der Heyligers-Orgel (s. u.). Unter Pastor Bauer wurden die mittleren drei Stühle als "Priestersitz" erhöht und der mittlere mit einem Medaillon versehen.



St. Bernhard, Obermeiderich, Altarbild: Pantokrator

Heribert Reul, Kevelaer 1962



St. Bernhard, Obermeiderich, Patronatsbild: 

St. Bernhard verehrt die Gottesmutter

Heribert Reul, Kevelaer 1962

Der Altar aus Muschelkalk-Kernstein, 1969 von Diözesanbaumeister Eberhard Kleffner entworfen, von der Firma Berns (damals poliert) erstellt, bei der letzten Renovierung ebenfalls von Berns verkleinert, aufgerauht und mit einem neuen Bodenmosaik versehen, in das die abgeschnitten Teile eingearbeitet sind: 



Sakristeiglocke - eines der wenigen erhaltenen Originalausstattungsstücke. Daran habe ich als Meßdiener unzählige Male gezogen:



Fenster der Sakramentskapelle, die seit dem Umbau der 1950er Jahren zwischenzeitlich Taufkapelle war:



Der Fußboden - im Mittelgang mit den Propheten des Alten Testaments - ist vom Bildhauer und Pfarrmitglied Hans-Gerd Berns geschaffen worden:



Der Orgelprospekt (Zink) stammt von der 1954 von der Firma Willi Peter Köln erbauten Orgel, die sie 1951 für die Salvatorkirche (unter Verwendung von Material der Vorgängerin von Walcker, 1904erstellt hatte und später für St. Bernhard umgebaut hat. Sie hatte 23 Register. 


Wegen des minderwertigen Materials und der störananfälligen Kegelladentechnik lohnte sich in den 1980er Jahren eine Reparatur nicht mehr. Da schon damals die Finanzen der kleinen Pfarrei knapp waren, schaffte man eine (wartungsfreie) elektronische Orgel der Firma Heyligers mit analoger Klangerzeugung und künstlichem Nachhall an (dafür die Boxen unter der Decke), die bis heute ihren Dienst tut.


Die Orgelbühne wurde unter Pastor Volker Bauer bemalt...


Marienkapelle im Südwesten:



Erwähnenswert sind aus der Zeit der Neuausstattung in den 1950er Jahren der Taufstein (Bild unten) aus Kirchheimer Muschelkalk, der 1956 von der Hamborner Firma Schiffer hergestellt wurde, und das Weihwasserbecken aus Muschelkalk von 1959, Meisterstück eines Mitarbeiteres der Firma Gräfen in Hamborn. Dieses dient aber derzeit im "Vorgarten" des ehemaligen Pfarrhauses - auf den Kopf gedreht - als Sockel für eine Marienfigur...


Der Boden unter dem Taufbecken ist ebenfalls während der letzten Renovierung von der Hans-Gerd Berns erstellt worden.



Dabei ist auch der von der Hans-Gerd Berns gestaltete Kreuzweg mit Bodeninschriften entstanden.




Obermeidericher Bernhards- und Patronatslied:


1. Himmlische Chöre jubeln vor dem Herren, 

da er verherrlicht, den wir heut’ verehren. 

In Gottes Stadt zieht Bernhard ein in Freude. 

Gruß dir, Sankt Bernhard.


2. Von edlem Blute wurdest du geboren.

Zu neuem Adel hat dich Gott erkoren.

Du fliehst die Pracht der Welt und folgst dem Rufe

glaubend, Sankt Bernhard.


3. Ins Kloster tratst du ein mit dreißig Brüdern,

die Liebe Gottes dankend zu erwidern.

Lobpreis und Arbeit weihst du ihm, dem Höchsten,

hoffend, Sankt Bernhard.


4. Dich trieb die Liebe, ganz dich hinzugeben.

Christus, dem Herren, schenktest du dein Leben,

wie eine Braut sich sehnt nach ihrem Freunde

liebend, Sankt Bernhard!


5. Päpsten und Fürsten sagst du Rat und Wahrheit,

predigst den Vielen Worte voller Klarheit,

Lehre wie Honig macht die Herzen brennen.

Künder, Sankt Bernhard!


6. Bei Christi Mutter hast du Trost gefunden.

Sie war dir Beistand in den dunklen Stunden.

Bitte mit ihr für uns am Thron des Höchsten,

Beter, Sankt Bernhard!


7. Schau die Verwirrung ruheloser Zeiten,

sieh, wie wir heute tastend vorwärtsschreiten!

Zeig uns den Weg zur Wahrheit und zum Frieden,

hilf uns, Sankt Bernhard!


8. Dein heilges Leben hat der Herr gekrönet,

der unsre Welt am Kreuz mit sich versöhnet.

Er führ’ auch uns zum Himmel, ihn zu loben

mit dir, Sankt Bernhard!


M: Z. A. Sojčić 1998

T: U. Terlinden 1997, 7. Str. angeregt durch H. J. Küsters

zum 100jährigen Kirchweihjubiläum von St. Bernhard Obermeiderich 1998, überarbeitet 2014


Liedblatt, Druckvorlage DIN A4Satz, anhören


Meßgesänge zum St. Bernhards-Fest


St. Bernhards-Rosenkranz


PS. Der ehem. Subsidiar Hermann-Josef Küsters hat für den Obermeidericher Karneval zwei Lieder geschrieben: "Wenn man den Globus richtig hält, ist Obermeiderich der Mittelpunkt der Welt" und "Schön ist das Leben am Rhein-Herne-Kanal". Da hatter recht, abber sowatt von!



Aktualisierung zum 30. November 2024:


Die Kirche ist an diesem Tag geschlossen, aber nicht profaniert worden und wird weiter gepflegt (das verstehe, wer will). Ich bin um ein Abschiedslied gebeten wollen. Der hl. Geist und die Selige Euthymia haben geholfen.


Lied zur Kirchenschließung


Dies Haus, das, Christus, dir gebaut

und nun geschlossen wird,

sei mit uns selbst dir anvertraut;

du bist der gute Hirt.


R/. Wir danken dir und preisen dich

für deine Lieb und Treu.

Herr, segne Obermeiderich

und mach die Herzen neu!


Der Tempel ist die Ewigkeit;

dies Haus ist nur dein Zelt.

Bleib bei uns Pilgern durch die Zeit

im Dienst am Heil der Welt! - R/.


Schau auf dein Volk, du Friedensfürst!

Dein Blick ist unser Ruhm.

Du gabst, du künftig geben wirst;

wir sind dein Eigentum. - R/.


Maria, stille Trösterin,

Sankt Bernhard, Schutzpatron,

tragt unser Flehn zum Ewgen hin!

Ihr steht an seinem Thron. - R/.


O Jesu, halt du treu die Wacht

und unsre Herzen froh!

Du Sonne scheinst bei Tag und Nacht;

du bist das A und O. - R/.


T. Ulrich Terlinden 2024

M. „Nehmt Abschied, Brüder“


Lied- und Gebetsblatt zur Kirchenschließung


NB.:

1) "Der Tempel ist die Ewigkeit" (2. Strophe) ist eine zugeben steile These, da es dort keinen Tempel gibt. Hier soll hier Vergänglichkeit aller sakralen Bauten ausgedrückt werden.

2) "Du gabst, du künftig geben wirst" (3. Strophe) spielt auf ein traditionelles Nachtischgebet an.

3) Die Strophen 4 und 5 sind im Blick auf die oben dargestellten Bilder im Osten der Kirche formuliert.

4) zu Strophe 5: 

- "Treu" ist eine Anspielung auf die Schwurhand des Pantokrators im Chor;

- "Du Sonne scheinst bei Tag und Nacht" ist eine geistliche "Überhöhung" des traditonellen Schlußlieds beim Karneval in St. Bernhard ("Die Sonne scheint bei Tag und Nacht");

- "Du bist das A und O" deutet auf das Buch in seiner Hand.


Zur Kirchenschließung sind so viele Gläubige gekommen, wie sie die Kirche schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Der Pfarrklerus und die meisten der noch lebenden Pfarrer an St. Bernhard (in den verschiedenen Fusionsphasen) waren anwesend. Ehemalige, inzwischen "deutlich" erwachsene Meßdiener aus St. Bernhard haben mit einem wunderbaren Thuriferar-Koppel aus St. Michael ministriert. Chorsänger der neuen Groß-Pfarrei haben den inzwischen kleinen Chor von St. Bernhard um ein vielfaches vergrößert und u.a. das Gloria aus Mozarts Krönungsmesse gesungen. Es war ein wunderbares Fest, trotz der Traurigkeit nicht niedergedrückt.


Die Glocke (es gibt nur eine) läutete zum Schlußlied. Die Lichter wurden gelöscht, nur der Pantokrator und das Bild der Gottesmutter mit dem hl. Bernhard blieben - ergreifend - beleuchtet. Das Allerheiligste wurde (merkwürdig/bemerkenswert/unbedacht?) nicht aus dem Tabernakel entfernt. 


Zur anschließenden Raue im "Jugendheim"...




... mußten Stühle und Tische herbeigeholt werden. Es war voller als bei den Karnevalsfeiern in glorreichsten Zeiten:



Diese Laterne mit Kirchenfenstern aus St. Bernhard war auch dabei:



Auf diesem Blog dargestellte Orte

1 Kommentar:

gla-hh-58 hat gesagt…

Lieber Ulrich,

tausend Dank für die schönen Fotos. In dieser Kirche habe ich meine allererste Predigt gehalten, und zwar am Vorabend zum Christkönigsfest - ich denke, 1986. Sehr schöne Bilder! Dir und den Deinen frohe OSTERN - DEIN Gary Lukas