Freitag, 24. März 2023

Hat Gott einen miesen Charakter? - zu Ex 32, 7-14

Zur Lesung am Donnerstag der 4. Fastenwoche (Ex 32, 7-14) hat jemand gefragt:


Wie ist die Lesung zu verstehen? Sind das menschliche Züge bei Gott? Lässt er sich auch von Satan verführen? Oder wie kommt unser allmächtiger und gütiger Gott zu 'bösen' Gedanken, und warum muss Gott Reue empfinden, noch dazu auf menschliche Intervention (Mose)?


Ich habe geantwortet:


Nicht nur diese Lesung ist verstörend, sondern z. B. auch der Befehl an Israel, die Völker im Gelobten Land zu vernichten, und daß er zuvor, um sein Volk aus Ägypten zu befreien, unzählige unschuldige ägyptische Soldaten (Familienväter) hat über die Klinge springen lassen. 


Gott hat in den frühen Büchern des AT nicht nur allzu menschliche Züge, sondern z. T. einen geradezu miesen Charakter, der sich erst im Laufe der Zeit läutert. 


Wenn Du mal Zeit für ein gutes, aber dickes Buch hast, lies dazu von Jack Miles: Gott. Eine Biographie. Das ist natürlich (hoffentlich!!!) keine wirkliche Beschreibung der Entwicklung Gottes, der ja ewig und vollkommen ist, sondern legt dar, wie sich sein „Charakter“ in der Bibel entwickelt. Am Ende des AT ist er übrigens stumm und fern.  


Man muß die Bibel immer im Ganzen sehen. Ohne das Evangelium bleibt Gott hinter einem Schleier.


Mit dem Evangelium liest sich die Lesung von Christus her: Mose ist eine Präfiguration Christi. Er springt für das sündige Volk vor Gott in die Bresche, und Gott läßt sich von seinem Gebet am Kreuz („Vergib ihnen…“) bewegen.


Hier stellt sich natürlich die Frage, warum Gott sich erst von Christus hat bewegen lassen müssen/wollen.


Meine („ketzerische“) Vermutung: Weil er als reiner Geist die Unvollkommenheit der Menschen nicht kannte. Erst durch seine Menschwerdung hat er „gelernt“, wie es sich in unserer Haut anfühlt. Und da Christus ja wahrer Gott und wahrer Mensch ist, hat er in ihm ja quasi zu sich selbst für uns gebetet.


In der Messe vom Donnerstag wird übrigens zum Offertorium „Precatus est Moyses“ (Mose hat gebetet) gesungen, eines der „prophetischen Offertoria“ - siehe hier ab S. 3.

Montag, 6. März 2023

Neumünster St. Vicelin und der hl. Volker von Segeberg

1127 wurde der Priester Vicelin mit der Gründung eines Augustiner-Chorherrenstiftes im damaligen Wippendorf betraut, dessen Bezeichnung “novum monasterium” ("Neues Kloster" - Neumünster) wenig später auch auf den Ort überging (Quelle).


Die 1147 errichtete Kirche war Grablege des hl. Volker von Segeberg, eines Priesters und Gefährten des hl. Vicelin bei der Mission im Land der Wenden. Volker hat nach der Gründung des Stifts als Chorherr in Neumünster gelebt und ist in Segeberg unter den heidnischen Obotriten zum Blutzeugen für Christus geworden.


Das Grab des Heiligen befand sich einst in der alten Kirche. Nach Auskunft eines dortigen Pfarrers stand die alte Kirche südlich der 1829-34 errichteten neuen, und das Grab des heiligen Volker soll es schon damals nicht mehr gegeben haben.


Bilder von "Neu-St. Vicelin":





Das Rathaus von Neumünster:


Ostholsteins Kirchen

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Freitag, 30. Dezember 2022

Soest

Dieser Beitrag ist provisorisch und wird später verbessert und ergänzt.


Vorige Tage war ich bei winterlich-dunklen Lichtverhältnissen und nur mit dem Funktelephon "bewaffnet" in Soest (sprich "Soost"), der ältesten Stadt Westfalens.


Der ausgedehnte mittelalterliche Stadtkern (Stadtmauer weitestgehend erhalten) birgt eine Fülle von Kirchen und Kapellen, von denen allein der Patrokli-Dom (vom Kölner Erzbischof Bruno gegründete Stiftskirche) in der Reformation katholisch geblieben ist. Die anderen Kirchen sind weitestgehend lutherisch und gut erhalten. Zwei sind reformiert. Alle stammen aus dem Mittelalter. Informationen folgen.


Prägend ist hier der Anröchter Grünsandstein.


Hier vorerst einige Bilder mit knappen Informationen:


St.-Patrokli-Dom (Stiftskirche) mit ungewöhnlichem Westwerk:



Blick zur St.-Petri-Kirche, der ältesten Pfarrkirche der Stadt:



Der Hochchor des St.-Patrokli-Doms:



Marienchor:



Romanisches Relief an einem Mittelschiffpfeiler:



Kreuztragungskapele im nördllichen Seitenschiff:



Grabmal an einem Mittelschiffpfeiler:



Krypta:



Im Patrokli-Dom wird die Krippe immer aufwendig aufgebaut:



Kreuzgang:



St.-Nikolai-Kapelle beim "Dom":



Der heilige Nikolaus wird auch von einer Bäckerei als Patron bemüht:



Die Brunsteinkapelle, nach der zwischenzeitlichen Rekatholisierung der Stadt "Zuflucht" der Protestanten, heute ein Künstleratelier:



St. Marien zur Wiese prägt mit ihrer Doppelturmfassade die Stadtsilouette und ist auch sonst ein "Hammer":






Die "Schöne Madonna" in der Wiesenkirche:



Das Tabernakel (z. Zt. außer Betrieb):



Im Nordturm steht das Retabel des einstigen Hochaltars, in dessen Mitte vielleicht das Marienbild ihren Platz hatte, das heute in Werl verehrt wird: 



Wegen der Gründung durch den Kölner Erzbischof Bruno findet man in Soest viele Dreikönigsdarstellungen, hier die an der Predella des Altars im Nordchor der Wiesenkirche:



Darstellung der Vision des hl. Patroklus (Wiesenkirche):



Das berühmte "westfälische Abendmahl" in der Wiesenkirche, das angesichts des Reichtums dieser Kirche nur ein nettes Détail ist:



Die "Mutter" der Wiesenkirche St. Marien ("Hohnekirche"):




Ein Altarretabel nach gotländischem Vorbild (Soest war Hansestadt):



Hochchor:



Heiliges Grab:





Taufkapelle:





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Sonntag, 11. Dezember 2022

Ede (Gelderland) St. Johannes Baptist - abgesetzte Prediger

Die Stadt Ede, einst ein Heidedorf am Rande der Veluwe, hat heute 120.000 Einwohner (einschließlich der zugehörigen Dörfer) und ist die flächenmäßig größte Gemeinde der Niederlande. 


In dieser Gegend hat der heilige Werenfried im 8. Jahrhundert das Evangelium verkündet und die Taufe gespendet. Dieser Gefährte des heiligen Willibrord könnte die Kirche von Ede gegründet haben.


1216 wird St. Johannes Baptist Ede (heute "Oude Kerk" genannt) erstmals urkundlich erwähnt, und zwar als Besitz des Domkapitels von Utrecht.


Es soll hier später, so erzählte mir ein Ortskundiger, ein Damenstift St. Barbara gegeben haben, dessen Äbtissin sich, wie auch der Dorfpastor, geweigert hat, zur Reformation abzufallen. Beide wurden von den Geusen abgeführt und das Dorf gezwungen, die "neue Lehre" zu übernehmen (keine Funde im Netz).


Geblieben ist die gotische Pfarrkirche St. Johannes Baptist, die calvinistisch "gereinigt" wurde.


Seite der Kirchengemeinde - Geschichte der Kirchengemeinde ab dem 19. Jh. - über die Kirche hier (nl.) und hier (dt.) - "Das reiche römische Leben in Ede"


Die ältesten (z. T. als ergrabene Fundamente) erhaltenen Teile der Kirche stammen von einer romanischen Saalkirche aus Tuffstein mit einem runden Chor an der Stelle, wo sich heute die Vierung befindet, und Turm. Diese Kirche wurde in der Zeit der Gotik mit Backsteinmauern erhöht; die romanische Apsis wurde durch einen gotischen Backsteinchor mit 5/8-Schluß ersetzt.


Im 14. Jahrhundert wurde das Schiff nach Westen verlängert und mit dem heutigen Turm abgeschlossen. 


1421 wurde sie in einem Krieg verwüstet. Beim der Wiederherstellung wurde der Chor durch ein Querhaus mit neuem Chor ersetzt. Damit war eine beachtliche Dorfkirche entstanden, die auf Reichtum und wachsende Bevölkerung schließen läßt.


Der Turm brannte 1635 nach einen Blitzeinschlag aus; die niederstürzende Turmspitze beschädigte das Kirchenschiff. Aus Geldmangel begann man erst 1643 mit dem Wiederaufbau. Die Gewölbe stammen aus dieser Zeit. Erst 1967 hat man die Kirche um das nördliche Seitenschiff ergänzt (unvollendet). 


Außen sieht es noch ganz katholisch aus...




... doch schon in der Turmhalle wird man vom kühlen Protestantismus empfangen...



... der sich auch im Inneren fortsetzt: keine Bilder, kein Mittelgang, kein Altar: 



Die ehemalige nördliche Außenwand des Schiffes seinen Fensteröffnungen, hinter der sich das Seitenschiff aus den 1960ern befindet:


Querhaus von Norden mit Kanzel und "Ambo". Das Südquerhaus heißt hier "Maanderhoek" (Bedeutung unklar), das Nordquerhaus "Dorperhoek" ("Dörflerecke"). Kanzel und das aus dem calvinistischen Kantorenpult entstandene "Ambo" befinden sich nun auf der Nordseite der Querhauses.


An der Kanzel (1674) befindet sich nicht nur eine Sanduhr (für die Länge der Predigt), sondern auch die Taufschale: 


Der Abendmahlstisch mit alten Bibel, die einst an den Plätzen der Hochgestellten zum Gottesdienst ausgelegt waren, war gerade zur Seite geräumt:


... ebenso das vermutlich noch aus katholischer Zeit stammende Taufbecken (14. Jh.?). Dahinter sieht man das "Doophek" (Taufzaun), das den einstigen "Dooptuin" (Taufgarten) einhegte, das inzwischen bedrohte "liturgische Zentrum" und "Alleinstellungsmerkmal" calvinistischer Kirchen. 



In dem seinem ursprünglichen Sinn entfremdeten Chor befinden sich Stühle und eine Elektroorgel:



Im Südquerhaus ("Maanderhoek") befinden sich drei Tafeln mit den Namen der Prediger, die seit der Reformation an der Kirche tätig waren. Zwei wurden ihres Amtes enthoben ("uit het Ambt ontzet"). Der 1946 eingeführte Prediger G. M. van Dieren soll sich aus Zwanghaftigkeit 20 Jahre lang geweigert haben, die spärlichen calvinistischen "Sakramente" zu spenden. (Kein "Abendmahl": O.K. Aber keine Taufe?) Da sah sich das Presbyterium gezwungen, ihn aus dem Amt zu entlassen.



Blick nach Westen zur Orgel:


Das in den 1960ern errichtete nördliche Seitenschiff mit der Konsistorienkammer im Westen:


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