Freitag, 17. Juni 2016

Das Rind, die Seegurke, der Mensch – Revolutionärer Vorschlag zur einer geschlechtergerechten Sprache

Verehrte Mitmenschinnen und Mitmenschen im Paralleluniversum!

Ihr ehrenhaftes Ansinnen, die Gleichberechtigung der Geschlechter auch sprachlich aus- oder gar durchzudrücken, ist nach hiesiger Wahrnehmung in eine Sackgasse geraten. Denn es gibt ja nach bei Ihnen vorherrschender Meinung nicht nur Männchen, Weibchen und Zwitter, sondern eine Fülle weiterer Geschlechter. Damit sind zweigeschlechtliche Formulierungen wie „Schülerinnen und Schüler“ defizitär, antiquiert, ja sexistisch.

Um die beiden klassischen Geschlechter sprachlich zu inkludieren, hatte sich bereits die Universität Leipzig weiland zur durchgehend weiblichen Bezeichnung entschieden. Den vielen neu entdecken anderen Geschlechtern sprachlich gerecht werden will die Berliner Humboldt-Universität mit einer x-Endung für alle Geschlechter, die leider unaussprechbar ist.

Schon der Versuch, das Wort „Bürgermeisterkandidat“ grammatisch der Geschlechtergerechtigkeit anzupassen, führt zu skurrilen Ergebnissen. Wenn man aber erst versuchte, den Vers Lukas 6, 39 allein für die beiden herkömmlichen Geschlechter gerecht zu übertragen, käme dabei heraus: „Kann auch ein Blinder oder eine Blinde einem oder einer Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen – oder alle drei – oder alle vier?“ – Nicht zu denken an die anderen Geschlechter!

Auch die von Ihrem unterstützenswerten Bestreben beseelten sprachlichen Versuche in seriösen Medien wie dem Deutschlandfunk und anderen Staatssendern führen mittlerweile dazu, daß man deren Nachrichten nicht mehr mit der gebotenen Aufmerksamkeit auf den Nachrichteninhalt hören kann, weil, wenn Sie diesen rustikalen Ausdruck erlauben, die Sprache versaut/-ebert/-schweinxt wird, was den gedankliche Fokus vom Eigentlichen (?) ablenkt.

Sie sehen: So geht es mit der geschlechtergerechten Sprache nicht weiter!

Erlauben Sie einen ebenso wohlgemeinten wie revolutionären Vorschlag, der aus dem beschriebenen diskriminierenden Dilemma führt: die gedankliche Trennung des biologischen Geschlechts vom grammatischen. Schauen Sie sich diese erstaunlich einfache Lösung anhand dreier Beispiele an:

Das Rind (neutrum)
„Das Rind“ kennt nach herkömmlicher Ansicht zwei biologische Geschlechter: die Kuh (fem.) und den Bullen resp. nach Kastration den Ochsen (beide mask.) – weitere natürlich möglich. Wenn nach dem hier unterbreiteten Vorschlag jemand „das Rind“ sagte, bedeutete das nicht, daß er den männlichen, weiblichen oder andersgeschlechtlichen Individuen dieser Gattung ihre jeweilige Geschlechtlichkeit abspräche.

Die Seegurke (feminin)
Entsprechendes wie für „das Rind“ gilt für „die Seegurke“, für deren maskuline oder feminine Individuen dem Verfasser keine Bezeichnungen bekannt sind.
Formulierungen wie „der Seegurkerich“ oder – gedanklich herausfordernder – „die Seegurkin“ wären bei Annahme des vorgeschlagenen Verfahrens verzichtbar.

Der Mensch (maskulin)
Das Wort "Mensch" bezeichnet ein Säugetier, dessen Individuen nach herkömmlicher Ansicht zwei, nach den erwähnten neueren Erkenntnissen in Ihrem Universum über fünfzig Geschlechter kennt. Grammatisch wäre nach diesem Vorschlag ein männliches, weibliches oder sonstwiegeschlechtliches Exemplar dieser Gattung immer noch „ein Mensch“ (grammatisch maskulin). Also: Niemand, der „der Mensch“ sagt, würde nach diesem Vorschlag damit behaupten, daß das gemeinte Individuum dieser Gattung biologisch maskulinen Geschlechtes sei.
Übrigens: Daß die altertümliche Bezeichnung des weiblichen Menschen, „das Weib“, im deutschen grammatisch neutral ist, wäre dann auch nicht mehr problematisch, weil ja Grammatik und Biologie/Ideologie getrennt wären.

In unserer, Ihnen vermutlich fremden Welt geht übrigens - das wird Ihnen anrüchig erscheinen - niemand „zur Metzgerin oder zum Metzger“, er bemüht auch nicht „den Computerfritzen oder die Computer(innen)trulla“. Hier, wo Sie immer gerne willkommen sind, wird diese gedankliche Trennung von biologischem und grammatischem Geschlecht schon vollzogen – übrigens mit besten Erfahrungen: Man versteht sich. Kommen Sie vorbei!


Freundliche Grüße aus einer fernen Welt – und toi toi toi!