Sonntag, 9. Juni 2019

Haarlem - Kathedrale St. Bavo


Zu Pfingsten bin ich nach Haarlem gefahren. Die 1895-1930 errichtete Kathedrale St. Bavo (hier die kirchliche Netzpräsenz) ist die (wie schon seit 1855 die Vorgängerkirche St. Joseph) Mutterkirche des Bistums Haarlem-Amsterdam

Das nach Flandern verweisende Patrozinium weist auf die Lage Haarlems hin: Wir sind historisch im fränkischen Mittelreich. Da die Spanier in den einstmaligen (ganzen) Niederlanden den Protestantismus unterdrückten, flohen nach der Abtrennung der sieben nördlichen Provinzen unter Wilhelm von Nassau/Oranien viele Protestanten aus dem Süden nach Holland. Haarlems Bevölkerung wuchs in 40 Jahren um das Doppelte an - alles Protestanten unterschiedlicher Denominationen. Und es wurde kräftig Geld gescheffelt. Das sieht man den westniederländischen Städten bis heute an.

Da die katholische Kirche in den nördlichen Niederlanden seit dem 16. Jahrhundert im Untergrund leben mußte und keine Bischöfe hatte, war mit der Wiederaufrichung der kirchlichen Hierarchie, d. h. der Zulassung von Bistümern, im Jahr 1853 ein entscheidender Schritt getan: Die nichtcalvinistischen Gläubigen hatten volle Religionsfreiheit.

Haarlem liegt in direkter Nachbarschaft zur niederländischen Hauptstadt Amsterdam und im reichen Westen der Niederlande. Die Katholiken dort beschlossen, eine prächtige Kathedrale zu errichten, und ließen sich nicht lumpen, denn es galt ja, den Calvinisten endlich mal deutlich ein Zeichen für den wahren Glauben vor die Nase zu setzen.

Der Bau entstand jenseits einer Gracht am Rande der Stadt. Er bekam das Patrozinium der "Grote Kerk" von Haarlem, St. Bavo (Allowin von Gent), so daß es zur Zeit noch ;-) zwei St. Bavo-Kirchen in Haarlem gibt. 

Der Dom ist in mehreren Bauphasen errichtet worden, von neoromanisch-neofrühgotisch über den Jugendstil bis hin zur frühen Moderne. Die Ausstattung reicht noch darüber hinaus, wie im Folgenden zu sehen sein wird.

In der Kathedrale wird die Kirchenmusik gepflegt: Es gibt einen herausragenden jungen Chor, der an diesem Sonntag Mozarts Krönungsmesse in einer Qualität sang, wie ich sie "live" noch nicht gehört habe. Bemerkenswert auch die jugendlichen Solisten, die ihre Sache sehr gut machten. Rührend und zum Niederknien schön war das "Angelus Domini (Ave Maria") von Franz Biebl, dessen Solopart von einem Kindersopran gesungen wurde.

Außerdem wurden - in französischer Kathedraltradition - die Haupt- und die Chororgel von zwei Organisten gespielt; zum Schluß gab es von der Hauptorgel das Lied "Geest die vuur en liefde zijt" und die "Toccata sur loe 'Veni Creator'" von Gaston Litaize.

Die Messe an diesem Fest feierte der Präfekt für den Gottesdienst Robert Kardinal Sarah. Er hat sich ja auch unter Papst Franziskus durch traditionsfreundliche Äußerungen hervorgetan. Leider gibt er sich immer sehr ernst und kann so nicht als "charming boy" der Sache dienen. Die gute Predigt hielt er auf französisch, sie war aber, auf niederländisch gedruckt, den Gläubigen verfügbar.

Diese Gläubigen waren übrigens ausnahmslos gut gekleidet, viele junge Familien waren dabei, und alle waren sehr gesammelt und freundlich-aufmerksam bei der heiligen Sache.

Die Liturgie war "sauberer" Ordus Novus (sogar die Sequenz vor dem Alleluja...), alles - bis auf die Lesungen - in Latein. Einen kleinen, verschmerzbaren Einbruch gab es beim Allelujavers: Es wurde "Pacem relinquo vobis" von Malby gesungen, statt "Veni Sancte Spiritus". Daher kniete man sich auch nicht nieder.

Zwei besonders niederländlisch-katholische Schmankerl gab es bei der Liturgie: Zur Pfingstsequenz war das Wehen des Heiligen Geistes war als Duft von Kaffee riechbar, den man im Westwerk bereitete; zur Kollekte verwendet man in St. Bavo Messingschalen, so daß das Klingen der Münzen sich in den Gesang von Aichingers " Factus est repente" mischte.

Hier also Bilder aus "Neu-St. Bavo". Zuerst einige wenige aus der Pfingstliturgie.  









Blick in das Nordquerhaus:





Blick in das Südquerhaus:



Hier geht es in den Chorumgang. 



Die Marienkapelle:





Der Hochaltar:




Die Chorkranzkapellen von Nord nach Süd:

Kapelle des heiligen Johannes vom Kreuz (?):



Kappelle des hl. Antonius von Padua:



Josefskapelle:



Vor der mittleren Chorkranzkapelle steht ein offensichtlich ausgelagertes neugotisches Gestühl mit einer Petrusfigur:



Marienkapelle (mittlere Chorkranzkapelle):



Willibrordkapelle:



Laurentius(?)kapelle:



Die nächste Kapelle, deren Patrozinium mir sich noch nicht sicher erschließt:


Bis in die Neuzeit hat man die Kathedrale "verschönert" - Moses am brennenden Dornbusch ("Ik zal er zijn" = "Ich werde da sein").


Die Sakramentskapelle - für eine katholischen Kathedralbau in den protestantischen Niederlanden natürlich ein Schwerpunkt - und gelungen:




Die Kanzel hat eine aufwendige Tribüne - hier aus dem südlichen Chorumgang gesehen:




Herz-Jesu-Altar im Südquerhaus:


  
Détail aus dem Südquerhaus:


Südliches Seitenschiff:



Blicke in den Südturm...




... zur Hauptorgel...



... und in den Nordturm:



Vorhalle/Narthex:



Tja, und kommt man aus dem Hauptportal heraus, sieht man, daß die Kirche am (ehemaligen) Stadtrand liegt.









Dann bin ich natürlich noch nach "Alt-St.-Bavo" gegangen, der "grote kerk" in der Stadtmitte, zur Zeit "unter calvinistischer Verwaltung" und an diesem Tag geschlossen.