Donnerstag, 21. August 2008

Mariae Himmelfahrt in Frankreich

In der Woche von Mariä Himmelfahrt bin ich nach Chartres gefahren. Ich brauche das ab und zu. Und übers Patronatsfest dort zu sein, war natürlich besonders verlockend. Ich war von Dienstagabend an dort, verbrachte den Mittwoch in Kathedrale und Stadt und fuhr am Donnerstag – der Vigil des Himmelfahrtsfestes – nach Paris.


Eigentlich wollte ich einige aussagekräftige Bilder über die Gotik machen, vor allem in St. Denis und von der Sainte Chapelle. Ich hatte meinen Photoapparat aber in Chartres vergessen, und so dachte ich: dann kannst du dir auch mal den Montmatre ansehen. Dort steht nämlich die ursprünglich merowingische Kirche St. Pierre, die ich noch nicht gesehen hatte. Sie ist in der Romanik modernisiert und im 20. Jahrhundert „entrümpelt“ worden, aber dennoch schlicht und schön.


Vor einiger Zeit hat man direkt neben St. Pierre eine große neue Kirche mir kitschigen Mosaiken gebaut (ja, ich meine Sacré Coeur). Nicht wirklich schön, aber aushaltbar. Den ganzen Tag ist dort das Allerheiligste über dem Hochaltar ausgesetzt. Erfreulich: viele Menschen (als ich dort war, sicher 200) nahmen diese Gelegenheit war.


Da die Jerusalemgemeinschaft in St. Gervais Konventsferien machte, konnte ich dort nicht an Vesper und Messe teilnehmen, wie ich es gerne tue. Also ging ich nach Notre-Dame, wo schon kräftig geläutet wurde (mit Bourdon).


Die Menschenmassen in der Kathedrale sind unglaublich. Alle Portale stehen offen, um die Luft frisch zu halten. Den Chorumgang, den man früher nur als Zugang zur Sakramentskapelle benutzen durfte, hat man allgemein geöffnet. Das Sakrament ist nicht mehr in der Marienkapelle (also im Chorscheitel), sondern in der rechts angrenzenden. Dort hatte ich zuvor den Schluß einer Sakramentsandacht erlebt: Ein Domkapitular (immerhin in neuem Damastchormantel) stand mit dem Rücken zum Tabernakel und betete mit ausgebreiteten Armen zu Jesus, um dann ohne jede Reverenz die Kapelle zu verlassen. Natürlich werde ich nicht über den Menschen urteilen. Aber die Botschaft, die bei mir ankam, war ein echtes Unglaubensbekennentnis...


Später begann dann die Vesper – das Mittelschiff war gesteckt voll, davon etwa die Hälfte Maximalpigmentierte (vormals "Neger"). Es war eine Pontifikalvesper zu Mariae Himmelfahrt. Drei Meßdiener, zwei Kantoren, von denen einer die Antiphon der Psalmen vorsang und der andere im Wechsel mit dem Volk psallierte. Dieses erwies sich als liturgisch sattelfest und verneigte sich selbständig zu den Doxologien. (Ich hatte den Eindruck, der maximalpigmentierte französische Migrationshintergründler neigt – wenn er denn katholisch ist – zu den liturgischen Hardlinern.)


Nach der Lesung folgte sofort das Magnificat auf lateinisch. Bisher war alles auf französisch gewesen. Der Gesang des Volkes beim Magnificat war kräftiger, als bei den französischen Psalmen. Das könnte natürlich an den vielen Nichtfranzosen liegen, die Notre-Dame ja auch gerne mal besuchen. Die Fürbitten wurden von drei spontan zu Freiwilligen erklärten jungen Damen in Französisch, Spanisch und – wars Englisch? Ich weiß es nicht mehr – vorgetragen, und zwar am Ambo zum Volke hin. Fürbittruf und das anschließende Vaterunser waren natürlich wieder in französischer Sprache gehalten. Beim Gebet des Herrn habe ich unandächtigerweise umhergesehen: weniger als die Hälfte der Gläubigen sang mit. Die Oration wurde feierlich gesprochen. Und weil man gerade das älteste und wichtigste Marienfest eröffnet hatte und sich in einem Mariendom befand, verzichtete man sinnvollerweise auf die marianische Antiphon.


Ich hatte den Eindruck, daß in der Pariser Kathedrale, was die Liturgie angeht, nach oben durchaus noch Luft ist...


Abends konnte ich mich bei einem Orgelkonzert in der Chartreser Kathedrale auf die Nacht und das kommende Fest einstimmen lassen.


Das Choralamt um 9.15 h war wunderbar. Auch war es ganz ordentlich besucht, was bemerkenswert ist, einerseits, weil diese Uhrzeit an einem Feiertag in romanischen Ländern eine Zumutung ist, und andererseits, weil der Dompfarrer nach dem Motu Proprio „Summorum Pontificium“ angeordnet hat, daß in der alten Benediktinerabteikirche St.Pierre – ebenfalls in der Altstadt – jeden Sonn- und Feiertag um 9.00 Uhr die Messe in der außerordentlichen Form gefeiert wird. Dort, fänden sich regelmäßig um die 100 Gläubige ein, wie ich hörte.


In der Kathedrale war die Hauptreliquie, der Schleier Mariens, auf dem geschmückten Hochaltar ausgestellt. Die Messen wurden – beide mit viel Weihrauch – auf dem Vierungsaltar gefeiert.


Das französische Pontifikalamt zelebrierte der Weihbischof des lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Die exzellenten Meßdiener dienten in beiden Messen.






Domkapitular Emanuel, Hauptzelebrant des Choralamts, fungierte im französischem Pontifikalamt als Zeremoniar, wie es sich gehört in violetter Soutane.



Er ist ein feiner Herr, zelebriert ganz wunderbar und ist so blind, daß er mich jedesmal (es war jetzt bestimmt das fünfte mal, daß ich bei ihm konzelebrierte) fragt, ob ich das erstemal in Chartres sei... Man muß ihn einfach mögen.


Leider konnte ich am restlichen Programm des Tages nicht teilnehmen, da ich den Heimweg antreten mußte. Es waren noch Rosenkranzgebet, eucharistische Anbetung, Prozession mit Krönung und Tragung einer Marienfigur und die Vesper vorgesehen.


Es erfüllte mich mit Freude, daß sowohl in Frankreich als auch in Belgien der 15. August staatlicher Feiertag ist. In Belgien wird das – wie auch der Sonntag – knallhart durchgezogen: Nur die Tankstellen an den Autobahnen sind geöffnet und – zur Strafe für die, die den Feiertag schänden – mit übelgelauntem Personal besetzt. Schön! Es gibt das Abendland noch.


zu: Gotik macht glücklich


zu: Tour de France


zu: St-Denis (Abtei/Kathedrale St. Dionysius)


zu: Paris, Notre-Dame


zu: Chartres, die Krone des Abendlands


Ulrich Terlinden, Die Theologie der gotischen Kathedrale (PDF)



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Mittwoch, 20. August 2008

Urlaub an der Grenze


Eine knappe Woche habe ich Urlaub an der Ostgrenze gemacht - des karolingischen Reiches nämlich. Ich war an der Weser.

Quartier bezogen habe ich in Hameln, einer schönen Fachwerkstadt mit seinem lutherischen Münster St. Bonifatius. Stadt und Stift stehen mutigerweise auf der rechten und damit ostfälischen Weserseite.
Die Luft ist herrlich, man kann gut wandern, ordentlich und günstig essen und trinken.




























Dieses Bild aus der Hamelner Innenstadt sei dem geschätzten Leser zur frommen Andacht empfohlen. (In dem Ladenlokal befindet sich ein Esoterikgeschäft.)









Auf dem Weg mit dem Auto nach Corvey traf ich auf die ehemalige Benediktinerinnenkirche Kemnade. Ein in der Romanik modernisierter karolingischer Bau, die, wie alle anderen in der Gegend auch, protestantisch wurde und praktisch unverändert geblieben ist.










































Anschließend wollte ich in Holzminden einen Aperitiv in Form eines Hopfenkaltgetränks nehmen und stolperte auf dem Weg zum Biergarten über einen waschechten Raddampfer, der nach Höxter fuhr. Ich ging an Bord und genoß eine schöne zweistündige Flußschiffahrt, aß in Höxter zu Mittag und lief auf der ostfälischen Seite an Corvey vorbei den Fluß wieder hinab.


Da der Photoapparat im Auto geblieben und der Fußweg zur Abtei Corvey zu weit war, mußte ich am nächsten Tag mit den Auto nach Corvey fahren. Die Gründung dieser Reichsabtei erfolgte auf Anregung Karls des Großen durch dessen Sohn Ludwig den Frommen. Die Anlage ist im wesentlichen erhalten, nur barockisiert. Leider war die Kirche so baufällig, daß auch sie einem barocken Neubau weichen mußte. Immerhin steht noch das karolingische Westwerk, oder besser: die Kaiserkirche, in der der Kaiser vom Abt empfangen wurde (Untergeschoß), der Messe beiwohnte (Mittelgeschoß) und zu Gericht saß (Obergeschoß). 1200 Jahre alt - unglaublich!





















































Aber auch die zur Zeit lutherische Kirche St. Kiliani Höxter (zu dem Corvey kommunal gehört) ist einen Blick wert.























Einige Klöster der Gegend haben sich der Reformation angeschlossen und dennoch als Kloster überlebt - in verschiedenen Formen:




Am ehemaligen Zisterzienserkloster Amelungsborn ist eine Gemeinschaft unter einem Abt ansässig, die sich dort regelmäßig zum Beten trifft, aber nicht monastisch lebt. Mutterkloster von Amelungsborn ist Kloster Kamp, "schönste Tochter" die Abtei Doberan.
























Bemerkenswerter ist da das Stift Fischbeck, das bis heute ein freiweltliches Damenstift unter einer Äbtissin ist. Eine wunderbare romanische Anlage.
































Der Reichsadler des wilhelminischen Reiches an der Holzdecke - so sind die Protestanten eben:











Auf dem Rückweg bin ich über Schloß Bückeburg gefahren, Sitz des Fürsten zu Schaumburg-Lippe, also so richtig spaßfrei reformiert, was man der Schloßanlage aber nur bedingt anmerkt.











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