"Jyllands Posten" kennt man seit den Mohammed-Karrikaturen. Jylland ist Jütland - jener Landstich, der sich an der Nordseeküste jenseits der dänischen Grenze an Nordfriesland anschließt.
Wer die nordfriesische Marsch mit ihrem hohen Himmel und der grenzenlosen Weite kennt, rechnet nicht damit, daß es nach der herb-weiten Landschaft Nordfrieslands, wo Land und Meer miteinander im Kampf stehen und zugleich ineinander überzugehen scheinen, ein Land gibt, dessen Landschaft eine so andere Sprache spricht. In Jütland ab der Höhe der erst 150 Jahre alten Hafenstadt Esbjerg, hier am nördlichen Ende des Wattenmeers, grenzt die Geest unmittelbar ans Meer: Wälder und Heideflächen auf sanft geschwungenem alten Dünenboden stoßen unmittelbar an die Wattenküste.
Die Stadt Esbjerg, gegründet, nachdem im preußisch-dänischen Krieg das Königreich Dänemark keinen leistungsfähigen Nordseehafen mehr hatte, ist eine nach bester römischer Militärtradition auf Schachbrettmuster angelegte Stadt, in der man nur schwer Orientierung findet. Eins der Schachbrettfelder ist für die (lutherische) Kirche ausgespart worden, die drei angrenzenden für den Friedhof. Bemerkenswert ist, daß Kirche und Gräber - wie in allen anderen Fällen, die ich gesehen habe - geostet sind.
Zunächst besuchte ich die Messe in der ebenfalls an der Kirkegade liegenden, 1969 erbauten katholische Kirche St. Nikolai (Bilder hier). 15 Personen, davon zwei ziviltragende ältere Ordensfrauen des aussterbenden abendländisch-frustrierten Typs. Der Rest der Gemeinde bestand fast völlig aus Vietnamesen, bis auf einen alle weiblich. Der Priester zelebrierte in geschmackloser Katalogware und aus Ringbüchern. Aber es ist eben Diaspora hier und vielleicht hat das Bistum Kopenhagen mit seinem Bischof Czeslaw kein Geld für den Druck eines dänischen Meßbuches. Interessant ist, daß die vietnamesischen Männer und Frauen nicht oktavversetzt singen, was beim Vaterunser, das sie nach dem dänischen in ihrer Sprache sangen, auffiel. Am Ende der Messe beteten der Priester und die Gläubigen zum Erzengel Michael und zur Gottesmutter, also vermutlich die leoninischen Gebete. Während des Gebets packte der Priester schon einmal die Bücher zusammen, und montierte das (völlig überflüssige) Funkmikrophon ab...
Danach hing ich zur lutherischen "Frelser (Erlöser-) Kirke" (Bilder hier) der ersten Kirche von Esbjerg: Sie ist natürlich gut lutherisch bestens in Schuß und gepflegt, und doch wirkt sie irgendwie unbenutzt. Aber sie ist doch ein spirituell (ein bißchen) belebender Raum. Bemerkenswerterweise schließt das tägliche Gebetsläuten dieses protestantischen Gebetshauses mit den 3x3 Schlägen des Angelus.
Eine Fahrt nach Ribe führt mich in die älteste Stadt des Königreichs. Ribe ist ein vom Hl. Ansgar gegründeter Bischofssitz mit einem Dom St. Marien (Bilder hier) in bestem rheinischen Übergangsstil. Da die Dänemark keinen Steinbruch besitzt, hat man Steine vom Drachenfels und aus dem Weserbergland importiert und mit dem orsüblichen Granit (Findlinge aus der Eiszeit) kombiniert.
Ebenfalls sehenswert ist die alte Klosterkirche St. Catharinæ, eine innen weiß gekälkte gotische Scheinbasilika aus Backstein. Die kontemplative Spiritualität, in der die Erbauer den Raum errichtet haben, ist bis heute spürbar. (Bilder hier)
Nördlich von Esbjerg liegt der Badeort Hjerting. Hier hat man auf dem höchsten Punkt eine neue Kirche gebaut und einen Friedhof angelegt. Obwohl ein durch und durch moderner Bau mit manchem architektonischen Aha-Effekt, greift dieses Kirchengebäude manche Tradition auf (Ostung von Kirche und Gräbern, weiße Kälkung, wie hier im Norden bei den Lutheranern üblich). Bilder hier.
Dann habe ich eine Fahrt zu den DORFKIRCHEN um Esbjerg gemacht. Ein Traum folgt auf den nächsten! Man gewinnt diese alten Gotteshäuser sofort lieb. Wunderbar archaisch in sich ruhend, strahlen sie Würde, Geist und göttliche Freundlichkeit aus.
Es handelt sich um Kirchen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Die Gegend wurde durch den hl. Ansgar missioniert. Man errichtete, wie üblich, zunächst Holzkirchen. Das Hochmittelalter brachte dann Steinbauten. Alle sind recht lang, haben in der Regel einen für alte Pfarrkirchen klassischen Kastenchor. Die Fenster der Nordseite des Kirchenschiffes (steht für die Finsternis des Unglaubens) sind stets klein oder (wohl von Anfang an) zugemauert - zum Schutz der Gemeinde gegen die Gefahr des Unglaubens bzw. des Heidentums. Das Nordfenster des Chores hingegen ist in der Regel offen, weil das Evangelium, das in der Messe ja nach Norden gesungen wird, zu den Heiden kommen soll.
Hier die Bilder: