Donnerstag, 6. August 2020

Abendland-Mitte: Abtei Vaals-Mamelis und karolingische Saalkirchen in der Umgebung

Im Süden der heutigen Niederlande, im Dreiländereck mit Deutschland und Belgien, liegt in Mamelis, einem winzigen Ortsteil der Gemeinde Vaals, die Abtei Sint Benedictusberg (Informationen).

Sie ist 1922 - Spätfolge des Kulturkampfs - als "deutsches" Benediktinerkloster gegründet worden und schoß sich der (deutschen) Beuroner Kongregation an. 


Der Klosterbau wurde von Dominikus Böhm geleitet, der hier eine prächtige neuromanisch-impressionistische Anlage plante, die aber nicht vollendet wurde.


Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Kloster - bis auf einen Mönch - verwaist. 1951 gründeten niederländische Mönche das Kloster neu, und einer von ihnen, Hans van der Laan vollendete den Bau in einer neuen Formensprache. 


Die 1962 geweihte Kirche ist eine 
völlig schmucklose, in schlichtesten Formen erbaute Basilika, die sich darüber hinaus jeder Zahlensymbolik und klassischer Proportion verweigert. Und gerade deshalb wirkt sie!

Die Mönche von Sint Benedictusberg feiern die Messe in einer äußerst gepflegten Form des "Ordo Novus" streng nach dem Meßbuch, alles gesungen und auf Latein (sogar Bußakt und das "Suscipiat"), nur die Lesungen auf Niederländisch. Beim Stundengebet sehen sie keinen Reformbedarf und halten sich an die Anweisungen des heiligen Benedikt: Sie beten das volle Offizium einschließlich der Prim. 


Bei all dem wirken sie sehr zufrieden und liebevoll, wie ich es auch bei einem sehr schmackhaften Mittagessen im Refektorium erleben durfte.



Vom Parkplatz aus, der einen eher unansehnlichen Blick auf die Kirche bietet, kommt man in das von Hans van der Laan gebaute Atrium. Die Kirche liegt im ersten Geschoß, darunter befindet sich die Krypta (Bilder unten).


Glockenturm vom Atrium aus gesehen:


Kirche vor der Messe:





Altarinzens zur Gabenbereitung:


"Weihekreis" im Boden zwischen dem Chorgestühl:


So sieht der Altar außerhalb der Messe aus:



Eines der wenigen Bilder in den Seitenschiffen - hier die Gottesmutter, der die Kirche geweiht ist:


Die Krypta/Unterkirche (zugleich "Sakramentskapelle"), in deren Seitenkapellen manche Priestermönche auch heute noch/wieder zelebrieren:




Rekreaktionsraum im von Dominikus Böhm erbauten Teil des Klosters:



Von hier ein Blick auf die "Abtei", die Wohnung des Abtes, die durch einen mitraförmigen Erker und einen Hirtenstab auf dessen Giebel ausgezeichnet ist:


"Spreekkamer" (Sprechzimmer) im von Hans van der Laan erbauten Eingangsbereich der Abtei. Er hat auch die Möbel für die gesamte Abtei (einschließlich Kirche) entworfen:


Blick in den "oberen Kreuzgang" - Teil des von Dominikus Böhm geplanten Klosters:


Die Gästezimmer sind bis heute original nach den Entwürfen Hans van der Laans ausgestattet... 



... einschließlich des Schranks mit Nachttopf:


In beiden Etagen des Kreuzgangs sind die Decken mit kunstvollem Betonguß eingewölbt. Hier der über zwei Etagen reichende Flügel vor dem Refektorium:


Rundgang:




Vom Garten aus...


... schaut man hinüber nach Vijlen und zur am höchsten gelegenen Kirche der Niederlande (unten mehr dazu):


Dieses unspektakuläre Bild aus dem Klostergarten zeigt die Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland bei der zweiten Zaunpfahlreihe (der Weg dahinter liegt also schon in Deutschland):


Friedhof der Mönche:


Blick vom Garten auf die Abteikirche:





Nun zu einem Ausflug in die Umgebung! Zunächst nach Lemiers. Den Ort gibt es "national" zweimal: zum einen das niederländische Vaals-Lemiers, zum andern das deutsche Aachen-Lemiers. Hier steht die in karolingischer Zeit gegründete Katharinenkapelle, die älteste Saalkirche der Niederlande, die aber leider geschlossen war:




Durch Lemiers fließt der Selzerbach, der auch unter anderen Namen firmiert und die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden markiert. Hier ein österreichischer (?) Grenzstein bei der Kapelle:


Dies ist die Grenze:


Auf der deutschen Seite heißt der Selzerbach "Sensertbach":






Zwischen Vaals (keine Bilder) und dem im folgenden vorgestellten Holset kommt man am Museum Vaals vorbei. 1908 ist es als Klosterkirche "De Esch" von Karmeliten erbaut worden steht seit 1995 unter Denkmalschutz ("rijksmonument"). Nach dem Abzug der Karmeliter stellt hier ein Calvinist aus (im engeren Sinne des Wortes) Holland Heiligenbilder und -figuren aus - für ihn eigentlich ein "Freifahrtschein erster Klasse zur Hölle", wie hier erzählt wird

Ich habe das Museum nicht besucht. Dieses Bild von einer im Stil Delfter Kacheln bemalten Christusfigur stammt aus dem Netz:


St. Lambertus Holset: Die erste Kirche soll (anstelle eines heidnischen Tempels) um 800 errichtet und unter Kaiser Lothar 1136 erneuert worden sein. Die Nordmauer, auf die wir beim folgenden Bild schauen, ist von Archäologen auf 800 datiert worden. 

Die Kirche wurde 1884-1878 klassizistisch renoviert (Altäre: 1889).

Hier wird seit alter Zeit die heilige Genoveva von Paris verehrt.


Hier kann man sehen, wie der karolingische Bau um zwei Lagen erhöht wurde:




Die moderne Genoveva-Kapelle im Norden:





"Bauernbarocke" Genoveva-Figur auf dem südlichen Seitenaltar - offenkundig bei der Renovierung im 19. Jh. aus altem Bestand übernommen:


Die Decke über der Orgelbühne kann was: ;-)



Figur des hl. Lambertus (Pfarr-/Kirchenpatron) im Westen:



Diese Region der Niederlande ist sprachlich bemerkenswert: Man spricht eine Art "Öcher Platt", und selbst, wenn die "Eingeborenen" deutsch sprechen, haben sie keinen niederländischen Akzent; es klingt eher ripuarisch

Bei der Renovierung der Kirche hat man ganz entspannt die "Immerwährende Hilfe" und die Kreuzwegstationen mit hochdeutscher Beschriftung bestellt, die dem Ortsdialekt genauso weit entfernt gewesen sein dürfte wie das Amsterdammer Hochniederländisch.   


Ende des 19. Jh. wurden unterhalb der Kirche die Lambertus- und Lourdesgrotte angelegt und mit kostbaren Steinen verziert:


Diese an sich belanglose neugotische Kirche, St. Martinus in Vijlen, ist die am höchsten liegende Kirche der Niederlande.


Auf dem Friedhof liest man "ripuarische" Namen, z. B. "Truus" (Gertrud) und "Sjeng" (Scheng - von frz. "Jean" = Jan/Johannes). Letzterer scheint seit dem Tod seiner Frau noch einmal richtig aufgelebt zu sein:


Dieses Pastorengrab spricht Bände:




Der heilige Clodulph reicht einem Bettler eine 2-Euro-Münze:


Auf dem Weg zurück ein letzter Blick auf die Abtei Vaals: