Der
Niederrhein geht weiter als man denkt: Der Name des Dorfes Egmond in der
Provinz Nord-Holland kommt von Eg-/Ey-/Ij-Mond (=Mund, Mündung). Diese Ey war
ein Nebenarm des Rheins, der tatsächlich hier ins Meer mündete, weit nördlich
von Amsterdam, wo es ja bis heute HET IJ gibt.
Man
wundert sich, wenn es im calvinistisch geprägten Holland (im engeren Sinne des
Wortes) überhaupt Katholiken und sogar katholische Klöster gibt. In Egmond sind
es derer gleich zwei: das recht junge Frauenkloster St. Lioba und die zwar auch
junge, aber sehr traditionsreiche Männerabtei St. Adelbert, darüber hinaus auch eine große
katholische (ehem.?) Pfarrkirche - neben einer kleinen protestantischen. Der heilige
Adelbert, der hier das Evangelium verkündet hat, hat es mir mit seiner bis
heute zu spürenden Wirkung angetan, seit ich kürzlich eine Woche zu Exerzitien
in „seiner“ Abtei war.
Skulptur des heiligen Adelbert von 2015 (Abtei Egmond)
Bemerkenswert
finde ich vor allem, daß es Gott durch ihn in 50 Jahren gelungen ist, aus
friesischen Heiden wirkliche Christen zu machen und so das Reich der Liebe und
des Friedens auch hier aufzurichten, in einem Land, das ja eigentlich nur aus
einem Dünenstreifen und dahinter entstandenen Marschflächen besteht, also
geologisch eher provisorisch ist...
Adelbert,
in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts in England geboren, wurde in
jungen Jahren Mönch des irischen Klosters Rath Melsigi. Sein Abt Egbert
beauftragte ihn, im Gefolge des heiligen Willibrord nach Friesland zu gehen, um
das Evangelium zu verkünden. Um 690 setzte der Diakon Adelbert
nach Friesland über und kam bei Strandpfahl 40-500 an, der damals vermutlich
noch nicht stand... ;-)
... ging durch die Dünen, ...
... erreichte die dahinter liegende Marsch...
... und ließ sich hinter
dem Dünenstreifen in dem kleinen Weiler Egmond nieder – man
bedenke: als christlicher Mönch unter rauhbeinigen Heiden. Er gewann in 50 Jahren die
Bewohner durch seine Liebenswürdigkeit und seine Frömmigkeit für Christus. Gott ließ durch
ihn Wunder geschehen, so daß die Bewohner der Gegend ihn als Retter in der Not
sahen.
Als
Adelbert um 740 starb (sein Festtag ist der 25. Juni), begrub man ihn und errichtete
über seinem Grab eine hölzerne Kapelle, die öfter von Normannen zerstört, aber
stets wieder aufgebaut wurde. Denn die Wunder Adelberts gingen weiter, und sein
Grab wurde zu einem Wallfahrtsort.
1113 ersetzte
man die Holzkapelle durch eine steinerne Kirche. Sie wurde erst 1575 im
80jährigen Krieg zerstört. Ihr Grundriß ist 1924 wieder sichtbar gemacht
worden.
Durch
die Dünenwanderung war das alte Egmond längst unbewohnbar geworden: Viele Nutzflächen waren unter dem Sand verschwunden. Bereits 922 übertrug der
westfränkische König Karl der Einfältige (! Hier ist ja eigentlich Lothringen...) dem ersten Grafen von Holland, Dietrich (Dirk) I., Egmond und damit das Grab
Adelberts. Dietrich I. ließ im Dorf Hallem (dem heutigen Egmond-Binnen) ein
kleines Benediktinerinnenkloster bauen. Einer der Hallemer Nonnen, Wilfsit,
erschien Adelbert dreimal im Traum und rief sie auf, seine Gebeine auszugraben
und an einen für die Verehrung geeigneteren Ort zu bringen. Wilfsit überbrachte
die Botschaft dem Grafen. Der ließ die Kapelle auf dem Acker abbrechen, die
Gebeine Adelberts bergen und in das Hallemer Kloster bringen. Bei der Bergung
der Gebeine Adelberts wallte in seinem Grab ein Brunnen auf, dessen Wasser
wundertätig war. Vor allem Schwersichtige und Geisteskranke erfuhren Hilfe.
Graf Dietrich II. ersetzte das Nonnenkloster durch eine Männerabtei, deren
steinerne Kirche um 975 vollendet war. Am 7. Oktober 1143 wurde eine neue, prächtige Abteikirche geweiht.
Zu
Beginn des Achtzigjährigen Krieges, am 1. Mai 1567 wurde die Abtei von einer
Bande von Geusen das erste Mal geplündert, am 7. Juni 1573 völlig geplündert und in Brand
gesetzt.
Auf dem Weg von der ursprünglichen zur jetzigen Grabstätte...
... habe ich die recht große katholische Pfarrkirche besucht, eine Scheußlichkeit von 1964. Die Kirche war geschlossen...
... doch die "Mariakapel" geöffnet. Ich ging hinein; dies ist der erste Eindruck - "einladende Kirche":
Auf dem Weg zur Abtei geht man merkwürdigerweise genau auf die "protestantse kerk" zu. Warum das so ist, wird später verraten.
In
den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Abtei wiedererrichtet. Die
ersten Benediktinermönche zogen 1935 ein.
Der
Weihetag der 1952 begonnenen neuen Kirche ist der 7. Oktober 1954. Seitdem liegen
die Gebeine Adelberts wieder unter einem Altar – nun in dieser Kirche.
Die
neue Anlage wird zur Zeit von etwa 15 Mönchen bewohnt und geistlich wie
ökonomisch bewirtschaftet. Der Konvent unter Abt Gerard macht einen vitalen
Eindruck; es gibt nach meinem Eindruck zwei Novizen/Triennalprofessen. Die
Liturgie ist zwar niederländisch „durchreformiert“ (fast alles in Volkssprache,
nur eine „Mittagshore“, Vesper mit (nur) drei Psalmen, Verwendung des
niederländisch-monastischen Psalteriums aus den 1970er Jahren, in der Messe und
auch sonst nicht approbierte Texte, Klarsichthüllen u.a.m.), wirkt aber dennoch überzeugend:
Beispielsweise halten die Mönche nach jedem Psalm eine Gebetsstille, die nicht
zu lang und nicht zu kurz ist. Auch wenn man die Anweisungen der Benediktsregel
und die große Tradition im Hinterkopf hat, kann man hier sehr gut zu echtem
Gebet finden.
Die
in den 1950er Jahren errichtete „postneugotische Bauhaus-Kirche" überzeugt und gewinnt
den Beter für sich.
Die Abtei:
Die Abteikirche:
In der Vorhalle befindet sich ein Grab, in dem die bei archäologischen Grabungen gefundenen Überreste der Grafen von Holland beigesetzt worden sind:
Namurer (oder Belgischer) Blaustein verbreitet eine herrlich katholische Atmosphäre:
Gang durch die sehr dunklen Seitenkapellen:
Die Heilige Agatha ist Patronin der von hier aus gegründeten Pfarrkirche in Egmond aan Zee:
Sakramentskapelle:
Neuzeitliche Ikone des heiligen Adelbert in der Abteikirche:
"Kreuzgang" (eigentlich L-Gang) mit den Kukullen der Mönche. Von hier aus werden die Glocken von Hand geläutet.
Fenster (1941) mit dem heiligen Adelbert im Kreuzgang:
Weg in die Klausur (hier "slot" genannt, was bei der Übersetzung "Schloß" zu Mißverständnissen führen kann):
Gästeflur:
Treppenhaus in der Klausur:
Ein Gang um das Kloster...
Alter Friedhof neben der protestantischen Kirche:
Die Protestanten hatten nach/in den Wirren des Achtzigjährigen Krieges im erhaltenen Chorraum der "Buurkerk", der Pfarrkirche der Abtei, ihre Gottesdienste gehalten. Im 19. Jahrhundert haben sie etwa vor dem Hauptportal der nicht mehr existierenden alten Abteikirche eine neue Kirche gebaut. Daher steht sie in der Achse der Abdijlaan, die neue Abteikirche befindet sich südlich davon.
Dahinter markieren Buchen und ein Kreuz den Ort des Chorraums der alten Abteikirche und ihres Kreuzaltares:
In den Tagen meines Aufenthalts wurde in den Niederlanden eine Volksabstimmung abgehalten. Das Wahllokal für Egmond war auf dem Abteigelände eingerichtet. Die auf dem Schild vorgenommene Korrektur versteht man, wenn man weiß, daß die niederländischen Katholiken gerne die die niederburgundische, also französische Tradition pflegen. So kürzen die "alstubelievt" (Wenn es Ihnen beliebt = bitte) nicht "a.u.b." ab, sondern "s.v.p." - und schreiben "Büro" eben richtig:
Zum Schluß noch einmal der heilige Adelbert, wie er mit dem Evangelium an Land steigt. Ganz ungewöhnlich bläst ihm der Wind ins Gesicht - tatsächlich kommt der Wind natürlich meist vom Meer her. Vielleicht ist der Gegenwind des Heidentums gemeint. Er hat ihn mit Gottes Hilfe und durch seine Liebenswürdigkeit und Frömmigkeit zu einem sanften Säuseln verwandelt - und mich mit seinem geheimnisvollen Charme für sich gewonnen.
P. S.: Zum letzten, zwar kostenpflichtigen, dafür aber wohlschmeckenden und zuverlässig wirkenden Wunder Sankt Adelberts geht es hier.
Über dem Bild:
Ich habe gewählt, und mir ist Sinn
gegeben worden. Und ich habe angerufen, und gekommen ist in mich der
Geist der Weisheit. Und ich habe sie vorgezogen den Reichen und
Thronen. (Weish 7,7f)
Unter dem Bild:
Ich habe es gewählt, lieber
fortgeworfen zu sein im Haus meines Gottes, als zu wohnen in den
Zelten der Sünder. Psalm 83, 11
ADELBERT, Bekenner und Levit (=Diakon),
Sohn des Königs der Deiren, hat das heimatliche Königreich in
England verlassen und ist als einziger Levit mit dem heiligen Bischof
Willibrord und verbundenen Priestern zu den polaren Ländern im Jahr
690 gekommen. Den Friesen und Kennermern hat er das Evangelium
verkündet. Egmond hat er vom Heidentum gereinigt und wurde zum
ersten Erzdiakon von Utrecht. Nach der Bekehrung vieler Heiden, voll
von guten Werken und von Wundern strahlend, entschlief er an den 7.
Kalenden des Juli im Jahr 740. Beerdigt in Egmond.