Sonntag, 3. Mai 2009

Antwort an den WDR

Auf diese Reaktion des WDR auf diese Kritik erging folgendes Schreiben:

(...) Der in meinem ersten Schreiben gewählte Ton und die darin geäußerten Vermutungen haben Sie sehr überrascht, wie Sie schreiben. Erlauben Sie mir darum, Ihnen meinen Eindruck an zwei Beispielen zu erläutern, um damit zugleich die geschuldeten Belege für meine „polemischen Behauptungen“ nachliefern. Diese fallen nicht in Ihr Ressort, sind aber für den „Gesamteindruck“, den der WDR macht, von Belang.

1.   Nachdem der Papst in einem Schreiben an den Weltepiskopat die Aufhebung der Exkommunikation der Piusbruderschaft erläutert hatte, sendete der WDR in „Diesseits von Eden“ (an das Datum erinnere ich mich nicht mehr; Sie werden das im Archiv überprüfen können) einen geradezu wütenden Kommentar, der nicht nur um keinerlei Sachlichkeit oder gar Verständnis bemüht war, sondern wie ein „Gegenangriff“ daherkam, nach dem Motto, man lasse sich vom Papst das Denken nicht verbieten. (Das hat dieser Papst sicher am allerwenigsten im Sinn gehabt.)

2.  Die Darstellung der Rolle Papst Pius XII. in der Zeit der Judenvernichtung – ebenfalls in „Diesseits von Eden“ – war ein Neuaufguß uralter Beschuldigungen, nach dem Prinzip: Der Papst hätte mehr reden sollen, anstatt nur zu retten. Das sehen namhafte und vor allem auch jüdische Wissenschaftler und Zeitzeugen bis hin zum damaligen Rabbiner von Rom anders. In der Weihnachtsansprache von 1942 verdammte der Papst die Judenverfolgung; auf seine Weisung hin waren die Klöster und kirchlichen Gebäude Roms in der Zeit der deutschen Besatzung gerammelt voll von Juden, die es zu retten galt. Der Protest der niederländischen Bischöfe gegen die Judendeportationen hatte tödliche Folgen. Warum fordert man im Nachhinein, daß der Papst lauter seine Stimme hätte erheben sollen? Bereits 1928 hatte Papst Pius XI. den Antisemitismus offiziell verdammt, in den frühen 30er Jahren hatten alle deutschen Bischöfe die Mitgliedschaft in der NSDAP untersagt. Die Haltung der Kirche war also klar; positive Folgen für die Juden in dem Sinne, daß die Nazis eingelenkt hätten, hatte das nicht. Pius XII. hat deshalb nicht geschwiegen, aber wählte doch tendenziell das Prinzip: Retten statt Reden. Alles das läßt „Diesseits von Eden“ nicht gelten. Man kann Hochhuths Thesen meinetwegen wiederholen. Aber sollte man dann nicht auch die Gegenargumente so darstellen, daß man sich ein objektives Bild machen kann?

Ich habe als, wie ich meine, einigermaßen wacher Zeitgenosse und Radiohörer den Eindruck, der Papst ist für die deutschen Medien anscheinend immer noch der „reaktionäre Dogmatiker“, dem man mißtrauen muß. Dabei ist er ein Bote der wahren Menschlichkeit und des echten Friedens. Er ist ein brillanter Denker und Analytiker, der aus den Quellen der Theologie, der Philosophie und der Geschichte schöpft. Er hat die Situation des Menschen und der menschlichen Gesellschaft in unserer Zeit gut durchschaut. Und er will den Diskurs, den Dialog mit allen Menschen guten Willens, um des Wahren und Humanen willen. Außerhalb seiner Heimat und Westeuropas hat man das übrigens inzwischen viel besser erkannt. In Deutschland (Frankreich, England ...) hingegen bedient man weiterhin Vorurteile, um – so muß man doch wohl vermuten – die Menschen gegen die Kirche zu immunisieren; nicht gegen die Kirche, die Sozialprojekte betreibt, Kindergärten unterhält und Therapien anbietet; wohl aber gegen die Kirche, die, wenn nötig, auch Unbequemes und schwer Verständliches sagt und tut, um dem Menschen als ganzem zu dienen – vor allem seiner unsterblichen Seele.

Ich wünsche mir von den öffentlich-rechtlichen Sendern keine „Unterstützung“ der Kirche – das ist nicht Ihr Auftrag –, wohl aber Sachlichkeit und fachkompetente Aufklärung komplizierter Sachverhalte. Und hier habe ich gerade um die „beiden Piusaffären“ herum, aber nicht nur da, viel Enttäuschendes gehört. Das ist der Hintergrund meiner geäußerten Vermutung in bezug auf die Bischofsseinführung.

Diese meine Vermutung haben Sie ja nun dankenswerterweise ausgeräumt. Vielleicht können Sie aber nachvollziehen, daß mich – und viele andere, mit denen ich darüber gesprochen habe – die geschilderten Beobachtungen mißtrauisch gemacht und zu meinem scharfen ersten Schreiben veranlaßt haben.

2 Kommentare:

Stanislaus hat gesagt…

Die Belege sind klasse. Aber zweimal die gleiche Sendung, das könnte eher am zuständigen Redakteur als am Sender liegen ...

Die letzten Absätze gefallen mir am besten.

Gwunderi hat gesagt…

Ich kann mich nicht zu den Sendungen des WDR äussern, da ich diese nicht kenne.
Zu Ihrer Verteidigung Pius XII. habe ich hingegen einige Bemerkungen:

Die Haltung der Kirche war keineswegs klar.
Wäre Pius XI. nicht Anfangs 1939 gestorben, hätte er sich wahrscheinlich klar positioniert.
Es war auch Pius XI. der 1928 den Antisemitismus offiziell verdammte und sich später, gegen Ende seines Pontifikats, immer deutlicher von Hitler und vom Faschismus distanzierte.

Pacelli alias Pius XII. tat dies nie. Er und Gleichgesinnte innerhalb der römischen Kurie behinderten sogar diesbezügliche Bemühungen Pius XI.

Konnten zuvor NSDAP-Mitglieder nicht an kathol. Gottesdiensten teilnehemen und auch keine Sakramente empfangen, so änderte sich dies schlagartig mit dem Konkordat von 1933, den Pacelli (Pius XII.) zustande brachte. Darauf mussten die Bischöfe sogar einen Treueeid auf das Reich sowie unbedingten Gehorsam schwören.
Nachdem die katholische Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte, der Hitler diktatorische Vollmachten übertrug; diese Zustimmung kam durch Bischof Kaas, engster Vertrauter Pacellis, zustande, und ohne Zustimmung der Zentrumspartei hätte das Ermächtigungsgesetz nicht verabschiedet werden können (da keine 2/3 Mehrheit). Damit war dem Klerus auch jegliche politische Betätigung - sprich Protest - verboten.

Was für die Katholiken hiess: es ist (nun doch) legitim, NSDAP-Mitglied zu sein; ja Bischöfe mussten sogar ihre unbedingte (!) Treue zum Führer schwören. Das war allerdings eine klare Positionierung!

Nachdem Pacelli mit dem Konkordat das Hitlerregime legitimiert hatte, beschwerte er sich über sporadische antikatholische Ausschreitungen; aber hätte es diese überhaupt gegeben, wenn sich der Vatikan klar gegen Hitler positioniert hätte? hätte man sich getraut, wenn sich darauf die Katholiken geschlossen gegen den NS-Staat erhoben hätten - hätte sich Deutschland das leisten können?
Wenn sich nicht nur ein einzelner Protest aus den Niederlanden erhoben hätte, sondern von allen Katholiken in und ausserhalb Deutschlands?

In seiner Weihnachtsansprache von 1942 hat Pius XII. die Judenverfolgungen nicht einmal erwähnt, obwohl er bestens über die bereits systematischen Deportationen und KZ's informiert war; er hat nur ganz generell von den Kriegsgräueln und -opfern gesprochen.
Doch zur selben Zeit hat er wohl auch geredet; in einer Ansprache vor der Kurie meinte er: "Jerusalem hat seine Einladung und seine Gnade mit jener starren Verblendung und jenem hartnäckigen Undank beantwortet, die es auf dem Weg der Schuld bis zum Gottesmord geführt hat!"

Menschlichkeit hat er nur nach dem Krieg gegenüber hochrangigen NS-Verbrechern bewiesen (durch Fluchthilfe, wodurch er sie vor dem Galgen bewahrte).

Vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn anstelle Pius XII. noch länger sein Vorgänger, Pius XI., auf dem Papstthron gesessen hätte?