Mittwoch, 19. Mai 2021

Apocalypse now?

Jemand hat mich um meine Meinung über dieses Video von Mark Mallett gebeten.

Vielleicht ist das auch für andere interessant. Darum veröffentliche ich meine Antwort:

Lieber Herr N.!


Danke für den Hinweis!


Ich habe das Video angesehen, wenn auch nicht komplett.


Da wir ja nun schon seit 2000 Jahren in der Endzeit leben, bin ich mit solchen Vorhersagen und Deutungen äußerst vorsichtig: Es gab sie im Lauf der Geschichte immer wieder und haben sich nicht bewahrheitet. Unter den vielen, sich zum Teil widersprechenden Worten des Herrn zu diesem Thema scheint sich im Laufe der Zeit dieses als das wichtigste herauszuschälen: „Es steht euch nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren.“ (Apg 1, 7)


Was sicher richtig ist, daß der Herr möglichst viele (genauer: alle - 1 Tim 2, 4) Seelen retten will und dies wegen unserer von ihm gewollten Freiheit nur kann, wenn wir zustimmen, d.h. umkehren und glauben. Augustinus bringt es so auf den Punkt: „Gott, der dich ohne dich geschaffen, rettet dich nicht ohne dich.“ (Sermo 169, 13)


Wir leben zwischen der ersten und letzten Ankunft des Herrn in der zweiten: der in der einzelnen Seele. Daß die Wiederkunft des Herrn (die dritte Ankunft) nun schon so lange ausbleibt, ist ja von Bedeutung für unseren Glauben, denn auch das ist gewissermaßen ein „Zeichen der Zeit“: Er dehnt die „Zeit der Barmherzigkeit“ jedenfalls bislang immer weiter aus. Das sagt doch etwas über ihn. Er hätte ja nach wenigen Tagen, Wochen oder z. B. im Jahr 1000 wiederkommen können.


Menschlich gesagt scheint mir sein Mitleid, ja vielleicht sogar sein Bedauern über unser Dasein im „Halbschatten“ der Wahrheit (vgl. 1 Kor 13, 12) zu überwiegen. Schon im AT gewinnt seine Liebe über seine Gerechtigkeit immer wieder und immer mehr, bis Gott am Ende gar nichts mehr sagt. Hierzu empfehle ich erneut: „Jack Miles, Gott. Eine Biographie“. 


Als dieser Gott Mensch wird, um den Schaden zu beheben, der seit Adam und Eva unser Dasein und unser Gottesverhältnis überschattet, spricht er zwar auch von Gerechtigkeit, aber vor allem von Heil, Barmherzigkeit, Vergebung. Sein „Lieblingsjünger“ kommt zu dem Schluß: „Gott ist die Liebe.“ (1 Joh 4, 16) Und der Herr selbst betet am Kreuz (also Gott zu sich selbst): „Vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23, 34


Man könnte sozusagen „evangelikal“ dagegen andere, dem widersprechende Schriftstellen anführen, aber das oben Genannte scheint mir doch die Essenz des Evangeliums zu sein.


Die im Video zitierten privaten Offenbarungen sind m. E. insofern richtig und hilfreich, als sie die Menschen aufrütteln und für die Begegnung mit ihrem Schöpfer bereit machen wollen. Als Terminansagen sind sie nach allen o. g. Erfahrungen aber ungeeignet: Man würde sich so evangelikalem und sektenhaftem Denken nähern (vgl. Adventisten, "Neuapostolen" u. ä.), das zu geistlichem Hochmut führt.


In meiner Familie erlebe ich liebenswerte und liebevolle Gotteskinder, die aber mit ihrem Schöpfer wenig zu tun haben (wollen). Weil ich sie liebe, wünsche ich, daß sie zu Christus finden, halte aber keine Predigten, denn sie wissen ja, woran ich glaube und was es mir wert ist - das ist Predigt genug. 


Und vielleicht - so meine Hoffnung - ist es auch Gott „genug“, daß es sie gibt, daß sie leben, und vielleicht will er (jetzt erst einmal nur), daß sie fröhlich leben und glücklich werden, so wie menschliche Eltern sich an ihren Kindern freuen und ihnen alles Gute wünschen, selbst wenn diese sie nicht erkennen, z. B. weil sie gerade schlafen.


Und wenn eines von diesen Kindern irgendwann „erwacht“ und Fragen stellt, gebe ich gerne Auskunft über die Hoffnung, die mich erfüllt. (vgl. 1 Petr 3, 15) Schon jetzt und bis dahin arbeite ich mit an der Gnade (vgl. 1 Kor 15, 10), indem ich für sie bete. Alles andere überlasse ich Gott in der Zuversicht, daß er am Ende die Antwort hat. (vgl. Joh 16, 23)


Bis dahin ist es doch z. B. ein Zeichen der Freude, daß ein Familienmitglied vor kurzem gesagt hat: „Ich glaub ja nicht an Gott. Aber man muß doch Gottvertrauen haben.“ Darf ich dahinter ein göttliches Augenzwinkern erkennen? 


Jedenfalls hat Gott schon sehr lang auf den großen Donnerschlag verzichtet. Dafür wird er seine Gründe haben.


Entschuldigen Sie bitte, daß es so lang geworden ist. Sie sehen daran, daß das Thema mich ebenso bewegt wie Sie.

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