Montag, 11. Juli 2022

Herford: Vision, Bergkirche und zweites Stift


An einem 19. Juni irgendwann zwischen 926 und 1011 ereignete sich auf dem Luttenberg nahe der Stadt die erste Marienerscheinung nördlich der Alpen und die 27. überhaupt: Die Gottesmutter erschien auf einem Baum einem Bettler (!) und trug ihm eine Botschaft an die Äbtissin (!!!) auf, die nach der Zerstörung von Stift und Stadt durch die Ungarn 926 gerade mit dem Wiederaufbau der Kirche und des Klosters beschäftigt war und „das Innere“ vernachlässigte.


Die Gottesmutter war darum nach eigenem Bekunden aus dem Herforder Stift „ausgezogen“ und sagte zu dem Bettler (zitiert aus: Kirche und Kirmes. Zum Ursprung von Wallfahrt und Vision in Herford, hg. von der kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Herford – leicht korrigiert, Hervorhebungen von mir): 


Fürchte dich nicht, hab Mut und fasse Hoffnung auf das Heil.

… Und ich erscheine dir, um dir meine Sendung zu diesem Kloster anzukündigen, das zur Ehre meines Namens wieder aufgebaut wird, um die Gemeinschaft dieses Klosters zur Haltung der Ordensregel lebhafter aufzurufen und wirksamer zu stärken. 

Steh auf und geh und sage der Äbtissin im Herforder Kloster: Wenn sie so fleißig sich um die Besserung des klösterlichen Lebens sorgt wie um die Mauern und den Eifer auch auf das Innere zu richten sucht, werde ich meinen Sitz wieder einnehmen und für meine Verehrer bei meinem geliebten Sohn und Herrn immer Fürsprecherin sein. 

Füge auch hinzu, daß sie ein Gedenken meines Namens an diesem Ort errichten soll den ich ganz besonders erwählt habe für die Bitten der Christen und aller, die hier Hilfe in ihren Ängsten erflehen.“


Die Gottesmutter zitierte die Äbtissin auf den Berg. Zur Bestätigung der Vision wollte sie dann in Gestalt einer Taube auf einem vom Bettler errichteten Kreuz sitzen. 


Maria versprach dem Bettler Schutz beim Überbringen der Botschaft, den er auch brauchte, wurde er doch als mutmaßlicher Betrüger eingekerkert und der Feuer- und Wasserprobe unterzogen. Als er all das schadlos überstanden hatte, bekehrten sich Äbtissin Ymma (wie ich a.a.O. lese, oder Gotesda/Godesdiu, siehe hier) mit ihrem Konvent und pilgerten, dem Bettler folgend, zum Luttenberg, wo das verheißene Taubenzeichen eintrat.


Dies ist der Anfang der Herforder Wallfahrt, die bis zur Reformation eine der bedeutendsten im weiten Umland, vielleicht ganz Westfalens, Nordwestdeutschlands und darüber hinaus war.


Die Herforder Kirmes hat ihren Ursprung und Termin (19. Juni) von dieser Marienerscheinung und heißt daher „Vision“.


Auf dem Luttenberg wird eine Marienkirche errichtet. Äbtissin Godesdiu gründet 1011 hier ein Stift für Damen aus dem niederen Adel.


Die heutige Bergkirche St. Marien ist 1290-1350 anstelle der ab 1011 errichteten romanischen Kirche erbaut worden.





Im Gesprenge über dem "Reliquientabernakel" hat eine Doppelmadonna, das Gnadenbild der Herforder Wallfahrt, Reformation und die napoleonische Kirchenschändung überstanden (ganz oben; man muß schon genau hinsehen...):


Im "Tabernakel" des Hochaltars ist der Baum der Marienerscheinung bis heute erhalten: 





Sakramentshaus - z. Zt. außer Betrieb:



An der südlichen Chorwand der Hinweis auf das Grab des ersten lutherischen Predigers der Kirche, Johannes Hortensius:



Die heutige Taufkapelle nördlich des Hochchors, vermutlich ehem. Sakristei, Äbtissinenkapelle o.ä.:




Reste eines Altarretabels im nördlichen Seitenschiff - und eine zweite Taufkapelle:



Gegenüber die Collon-Orgel von 2004, eine von drei Orgeln in St. Marien:




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