Montag, 8. Juli 2024

Berlin: Schloß/Humboldt-Forum - auch aus sakraler Sicht


Das Stadtschloß der Hohenzollerschen Kurfürsten von Brandenburg (hier auch deren Vorgänger) wurde 1443 als Zwingburg gegründet, 1538 zu einem Renaissanceschloß und 1698 durch Andreas Schlüter zu einem der größten Barockbauwerke nördlich der Alpen umgebaut. Es wurde 1701 zur königlichen Residenz und von Johann Friedrich Eosander erheblich erweitert. 1845 bis 1853 erhielt es mit der Kuppel über dem Westportal, unter der die neue Schloßkapelle eingerichtet wurde, seine endgültige Form. Nicht schon mit der Gründung des "zweiten" Deutschen Reichs 1871, sondern erst 1888 wurde es zur kaiserlichen Residenz. (Geschichte und Bilder hierhier und hier)


Vorgeschichte:

"Nachdem die Herrschaft der Askanier 1320 in der Mark ausgestorben war, belehnte der Kaiser die Wittelsbacher (1323–1373) und die Luxemburger (1373–1415) mit der Herrschaft in der Mark. Unter diesen Familien wurde Brandenburg allerdings schlecht regiert. Wirtschaftlicher Niedergang, innere Auseinandersetzungen und bürgerkriegsähnliche Zustände waren die Folge. Maßgeblich beteiligt an der inneren Zerrüttung des Landes war der brandenburgische Landadel. Unter diesen Umständen machte der deutsche König Sigismund den Burggrafen Friedrich VI. von Hohenzollern 1411 zum erblichen Hauptmann und Verwalter der Mark Brandenburg. Er sollte die Zentralmacht in der Mark wieder sichern und „geordnete Verhältnisse“ herstellen. Die offizielle Übertragung des Amtes erfolgte 1415. Die förmliche Belehnung mit der Kurmark und die Verleihung der Würde der Kurfürsten vollzog König Sigismund am 18. April 1417, nach dem endgültigen Sieg über den aufsässigen Adel." (Quelle)


Die alte Schloßkapelle, dem hl. Erasmus von Antiochia geweiht, war längst "vernünftigeren" Zwecken zugeführt (säkularisiert) worden. Schon zuvor war sie für das dort angesiedelte geistliche Kapitel zu klein geworden. Dieses zog in die Dominikanerkirche um, die so zur "Dom" genannten Schloßkirche wurde. Diese lag nördlich des heutigen Schlosses, hier als "l" auf gelbem Grund markiert:


Eine Ansicht der Ostfassade mit der ursprünglichen Zwingburg und der Erasmuskapelle (aus einem älteren Beitrag):



Die wiedererrichtete Kuppel mit acht (jüdischen!) Propheten aus dem Alten Testament und der von König Friedrich IV. verfügten Inschrift "Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Die Worte "den Menschen gegeben" erblickt man, wenn man von den "Linden" kommt:



Westfassade aus der Richtung des Auswärtigen Amts:



Die neue Halle hinter dem Eosanderportal nach Ost und West:




Unter Kurfürst Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I.) erweiterte Andreas Schlüter ab 1698 das alte Schloß (Bild) erheblich und baute am damaligen Westende des Nordflügels (früher Raum 787) eine Kapelle. Unter Schlüters Nachfolger Johann Friedrich Eosander wurde diese "Alte Kapelle" unter Beibehaltung ihrer Funktion verkleinert, zu einem Durchgangsraum zu den neuen Paradekammern und zum Kapitelsaal des Ordens vom Roten Adler (? hier dessen Statuten). 1879 wurde sie zum Kapitelsaal der Ritter des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler (siehe auch hier.) Am Nordwest-Ende entstand als einstweiliger Höhepunkt der Paraderäume und des königlichen Empfangszeremoniells der prächtige "Weiße Saal". Die Residenz der Hohenzollern hatte immer noch keinen angemessenen Sakralraum.


Die 1845 von König Friedrich Wilhelm IV. (laut David Friedrich Strauß der "Romantiker auf dem Thron") in Auftrag gegebene Schloßkapelle heilte diesen Makel. Kurz vor der Gründung des Deutschen Reiches ließ er unter der neuen Kuppel über dem Eosanderportal eine Kapelle errichten, die im unteren Teil an das römische Pantheon erinnert, damit einen sakralen Anspruch in bezug auf das untergegangene "Heilige Römischer Reich" erhebt und - für den protestantisch-reformierten Stifter bemerkenswert - sakral-katholisch daherkommt (früher Raum 769, heute Räume 271 und 371; im oberen, der Kuppel, ist heute die heidnische "Höhle der 16 Schwertträger" eingerichtet).



Hier erkennt man die Dimensionen der neuen Kapelle, die - das Pantheon überhöhend - 1,5 mal so hoch ist wie weit: 



Dies ist heute der Ort, wo früher der Altar stand:



Das Schloß verlor 1918 seine "Funktion", wurde im Zweiten Weltkrieg 1945 schwer beschädigt und 1950 von der Regierung der "Deutschen Demokratischen Republik" gesprengt. Das nun "Marx-Engels-Platz" genannten Areal wurde 1951 Start- und Zielort der DDR-Rundfahrt, dann Aufmarschplatz für Großdemonstrationen und Militärparaden mit einer Tribüne für die Partei- und Staatsführung auf am Ort des östlichen, ältesten Teils des Schlosses. 1973 ersetzte man die Tribüne durch den 1976 eröffneten Palast der Republik, der auch Sitz der Volkskammer der DDR war und 1990 wegen Asbestverseuchung geschlossen wurde.



Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland 1989 wurde hier das "Humboldt-Forum" errichtet, das - vom historisch bedeutenden Ostflügel abgesehen - in seiner Außenhaut (bis hin zum Elbsandstein) und seiner Raumaufteilung exakt dem alten Schloß entspricht, im Innern aber eine moderne Betonkonstruktion ist (zur Architektur).




Der Palast der Republik ist auf dem Pflaster markiert...



... und im "Devotionalienladen" sowohl durch die in DDR-Zeiten dort gerne geklauten Gläser (kein Bild) als auch diese böse kapitalistische Spardose in Erinnerung:



Die unhistorische Ostfassade, wo einst die Zwingburg mit der Erasmuskapelle stand:



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