Donnerstag, 19. August 2021

Oldenburg in Holstein (ehem. Kathedrale St. Johannes und St. Vicelin)

„Oldenburg“ („Alte Burg“) ist die Übersetzung des slawischen Ortsnamens „Starigard“ ins Sächsische. Hier lag die Hauptburg (Wallanlage) der Wagrier, eines Teilstammes der Obotriten. Mitte des 10. Jahrhunderts verfügte Kaiser Otto I. im Zuge der Wendenmission, hier ein Bistum zu gründen. 


Daraufhin wurde in der Burg eine erste hölzerne Hofkirche (rechteckiger Saal) anstelle der Fürstenhalle errichtet, um die herum Mitglieder der Fürstenfamilie begraben wurden. Die erste Kathedrale des Bistums Oldenburg - nun mit Fürstengräbern im Inneren - wurde anstelle der alten Hofkirche etwa 30 Jahre später erbaut.


Während eines Aufstands der Ostseeslawen gegen das Christentum ging die Kathedrale in Flammen auf. An ihrer Stelle entstand ein Sakralbezirk, an dem die heidnischen Opfer wieder aufgenommen wurden. Die Oldenburger Bischöfe lebten bis zur Gründung des "Nachfolgebistums" Lübeck im Exil in Bosau und Neumünster. Oldenburg war für die kommenden 150 Jahre heidnisch und ohne Kirche.


Beim Wendenkreuzzug wurde die Burg 1148/49 dem Erdboden gleichgemacht, und der wagrische Fürst Heinrich verlegte seinen Hauptsitz in die Burg von Liubice (Alt-Lübeck). Der 1149 zum Bischof von Oldenburg geweihte und in Neumünster residierende Vicelin regte bei einem Besuch an, die dritte Kirche auf dem Markt südlich der Burg zu errichten. Es handelte sich um eine Kapelle, die vermutlich für die ins Land gekommenen deutschsprachigen Siedler bestimmt war und an der noch nicht einmal ein Priester residierte. Diese Kapelle ist der Vorgängerbau der heutigen Kirche St. Johannis, der zweiten Kathedrale des untergegangenen Bistums Oldenburg.


(Diese Auskünfte stammen von einer Informationstafel in der Burg.) 


Die Stadt empfängt ihre Besucher recht bescheiden, ja fast dörflich.




Der Marktplatz mit Rathaus:




Zur Orientierung:



Vom Markt führt der unscheinbare Vicelinsgang zur Ex-Kathedrale.



Zunächst zur Burg (Wall im Hintergrund):






Rekonstruktionszeichung der Wagrierburg auf der oben erwähnten Informationstafel:



Südlich der „Alten Burg“ steht die heutige Kirche St. Johannis. Sie wurde 1156 bis 1160 von Gerold, dem zweiten und letzten Bischof von Oldenburg, erbaut und geweiht. 1160/63 verfügte Heinrich der Löwe die Verlegung des Bischofsitzes in die neugegründete Stadt Lübeck. Der Dom blieb als Kirche mit nur einem Priester zurück und ist so als archaische Missionskathedrale und älteste Backsteinkirche Nordeuropas erhalten geblieben. Mit dem Westportal von 1230 ist der Neubau abgeschlossen worden.










Der Innenraum: Gewölbe waren nie geplant, noch nicht einmal in den Seitenschiffen. Die Obergadenfenster befinden sich über den Mittelschiffpfeilern. Die Farben an den Arkadenbögen stammen nach meiner Information aus der Zeit des Kirchenbaus.







Der gotische Chorraum wurde anstelle des romanischen Vorgängers 1329 errichtet, als die Kirche eine der vier Hauptkirchen des Bistums Lübeck war, vermutlich mit Kollegiatskapitel. Hiervon zeugt die Stufenanlage zum Chor.



Die mittelalterliche Kirchenausstattung ist 1773 beim großen Oldenburger Stadtbrand zerstört worden, wobei die Bausubstanz erhalten geblieben ist. Die Kirche wurde 1777 neu „geweiht“ und barock ausgestattet. Aus dieser Zeit stammen der Hochaltar und die Kanzel. Auf Wikipedia liest man, daß der Taufengel, der bei meinem Besuch statt über dem Taufbecken über einem E-Piano schwebt, aus der Zeit vor dem Brand stammt. Hier melde ich meinen Zweifel an.




Plauderecke mit einem Kreuz zum „Schuttabladen“ im Hochchor:



Der Hochaltar ist gelungen, nur beim Figurenschnitzer hat man gespart.





Glasbild des hl. Vicelin im Chor (19./20. Jh.):



Nördlich des Chores befindet sich (vermutlich in der ehem. Sakristei) ein „Raum der Stille“, der zwar kärglich eingerichtet ist, aber - sogar mit Kniebank - zum Gebet einlädt und in dem der Kirchenpatron St. Johannes vertreten ist.



Blick nach Westen zur Eule-Orgel von 2018:



Barocke Kanzel (18. Jh.):



In der Kirche hat man derzeit „Gebetsstationen“ eingerichtet. Das eben erwähnte Kreuz zum „Schuttabladen“ gehört dazu. Hier weitere Stationen, die - diplomatisch gesagt - den Raum beunruhigen, aber anscheinend für eine Tendenz stehen, die Äbtissin Christiana von Mariendonk beobachtet (Eintrag vom 18. August 2021):






Die Sarkophage von Hinrich und Johann Dietrich Lebetzow (beide „hochfürstlich Schleswig-Holsteinischer Landrath auf Ehlertstorf und Petersdorf, Erbherr“) sind etwas lieblos im Nordwesten auf dem Heizungsschacht abgestellt.



Gefallenengedächtnisstätte vor dem Hauptportal:



Die in den 1960er Jahren (?) errichtete katholische Kirche St. Vicelin am Stadtrand:









Kirchen in Ostholstein


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