Montag, 30. August 2021

Selent St. Servatius

Die Gründung der Kirche in Selent geht wahrscheinlich auf Bischof Vicelin (um 1085 - 1154) zurück. Der Name des Ortes ist slawisch (Wagrier), und das Patronzinium der Kirche weist vielleicht auf Siedler aus dem Raum Maastricht hin, wo der hl. Bischof Servatius beigesetzt ist und bis heute verehrt wird. Selent dürfte ein christlicher Missionsstützpunkt unter Bischof Gerold gewesen sein. Die Gründungsgeschichte der Kirche ist mit der des benachbarten Lütjenburg verwandt. (Hier Informationen aus dem ausliegenden Kirchenführer von Gerd Stolz, auf den ich mich weitgehend beziehe.)


Die heutige Kirche wurde im Kern um 1200 ganz aus Feldsteinen und Granitblöcken erbaut. Sie bestand aus zwei Jochen mit anschließendem Kastenchor. Im frühen 13. Jahrhundert wurde der Chor um ein Joch nach Osten erweitert. Vermutlich hat man dabei die Kirche gotisch eingewölbt.



Links im Bild eines der zwei südlichen Rundfenster im Chor (im 19. Jh. zugemauert). Kirchnüchel hat drei südliche Rundfenster. 





Die protestantische Reformation breitete sich in Schleswig-Holstein „dank der liberal-toleranten Politik Friedrichs I. von Dänemark“ rasch aus, „ohne daß dabei jedoch die bestehende, erstarrte katholische Ordnung im Grundsatz angetastet wurde“, wie es im ausliegenden Kirchenführer heißt. So ist der spätmittelalterliche Zustand der Kirche wie bei vielen in dieser Gegend im wesentlichen erhalten geblieben.


Doch spätere Umbauten haben das Gepräge dieses Raumes nachhaltig verändert und sind für ihn heute charakteristisch: Gegenüber der 1346 errichteten Rastorfer Kapelle im Norden wurde im 17. Jh. die Wittenberger Kapelle angebaut, so daß eine „Vierung“ entstand. 1868 wurde die Kirche neugotisch renoviert und mit großen Fenstern versehen. Diese sorgen für die besonderen Lichtverhältnisse. Vermutlich wurde dabei das Ostfenster verschlossen, so daß der Altar nun quasi barock nur von den Seiten her beleuchtet wird. 


Der "archaische" Zugang durch den Turm ist neugotisch. Es riecht nach altem Holz, und man fühlt sich ein bißchen an die Wasserbahn im Phantasialand erinnert. ;-)




Die Farbgebung der Gewölbe wurde 1975 rekonstruiert.




Gotisches Altarretabel, 15. Jh.. Es wurde vermutlich 1680 um zwei weitere, bemalte Flügel erweitert, die bis heute fröhlich vor sich hinrotten.









Bei seiner Höllenfahrt am Karsamstag befreit Christus die Seelen der Vorväter (m/w/d). Ein Teufelchen ärgert sich hilflos.



Himmelfahrt Christi, der auf dem Ölberg "Eindruck" hinterläßt:



Eines der neugotischen Chorfenster, die für die "neuzeitliche" Beleuchtung sorgen.



Der alte romanische Taufstein - danach durch ein Holzgestell mit einer Zinnkanne und 1898 durch einen neugotischen ersetzt - ist, nachdem er zwischenzeitlich als Hühnertränke verwendet wurde, 1948 auf drei neuen Granitfüßen wieder in Dienst genommen worden.




Kanzel von 1595, gestiftet von Otto von Reventlow:



Die "Anbetung der Hirten", ein Gemälde von Pieter Aertsen aus dem Jahr 1566:


Wangen eines alten Adelgestühls wurden in die moderne Bestuhlung übernommen.



Die Wittenberger Kapelle mit neugotischem Taufstein:



Im Bogen zur Rastorfer Kapelle befindet sich eine Triumphkreuzgruppe von 1500.



Barocker Ziegelboden:




In der Kirche liegt die Festschrift von Volker Scheibe, Glockensachverständiger der Nordkirche, zum 25. Jubiläum der St.-Servatius-Kantorei aus. Nach einer Chronik der Kantorei bietet sie u. a. Informationen über den Kirchenpatron und den Arianismusstreit, in dem Servatius den katholischen Glauben verteidigt hat, und auch über das Entstehen des Schlagtons einer Glocke. (Die große Selenter Glocke (der "Dicke Jonny") ist 1633 von Franz/Francois Raclé aus Lothringen gegossen worden.)


In der Festschrift findet sich der von Volker Scheibe komponierte "Selenter Glockenkanon" über die Weihesprüche der beiden Glocken der Kirche, den ich hier mit dessen Erlaubnis wiedergebe:



In der genannten Festschrift findet sich auch das von Barbara Cratzius verfaßte "Selenter Servatiuslied":


So hört, was wir Euch hier berichten, 

so hört, was überliefert ist,

von Sankt Servatius die Geschichten,

dem Diener unsres Herren Christ.


Es heißt, ein Engel sei erschienen:

„So hör’ den Auftrag! Es ist Zeit!

Man braucht in Tongern dich als Bischof.

Es liegen Stab und ring bereit.“


Der Engel reicht den Bischofsmantel.

er trat zum Bischofsstuhl empor;

und er, der deutschen Sprach’ nicht mächtig,

ihm öffnete Gott Mund und Ohr.


Von Gott kam ihm die Kraft des Wortes.

Er hat viel’ Wunder dort vollbracht:

Er heilte Lahme, Kranke, Blinde

und spürte Gottes Lieb’ und Macht.


„Schließ auf das Herz von vielen Menschen!“

So lautete des Petrus Wort.

Er gab Servatius den Schlüssel:

„Führ’ hin zu Christus, unserm Hort!“


Auf seinem Grab, da wuchsen Blumen,

das war ein Blühen weit und breit.

Nicht Schnee bedeckte diese Erde

im Winter und zur Maienzeit.

 

Weder der Herausgeber der Festschrift, der dieser Text entnommen ist, noch die "Verwertungsgesellschaft Wort" konnten mir mitteilen, wer die Rechte an diesem Text hält. Darum habe ich ihn hier veröffentlicht. Ich bitte gegebenenfalls um Mitteilung in der Kommentarfunktion oder per elektronischer Post.

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