Im Museum der niederländischen Stadt Assen (Provinz Drenthe) gab es die Ausstellung "Sprezzatura" mit italienischen Malereien aus der Zeit der Staatsgründung Italiens bis etwa 1900. Ich hatte von diesen keine Ahnung, die Präsentation war aber durchaus verlockend, so fuhr ich hin.
Assen liegt - westlich der Grafschaft Bentheim - in ursprünglich moorig-unzugänglichem Gebiet. Erst 1258 gründeten hier die Zisterzienserinnen von Coeverden ihr Kloster neu, und daraus entstand die heutige Stadt. Sie hat daher keine Pracht, keine "grote kerk", keinen üppigen Marktplatz oder ähnliches zu bieten, aber eben ein beachtliches Museum "mitten in der Pampa".
Zunächst einige Bilder aus der Stadt:
Das alte Zisterzienserinnenkloster mit nach Verfall wiederaufgebauter Marienkirche, die allerdings seitdem keine mehr ist.
Wegen der Stadtgeschichte befindet sich der Kirchplatz (kerkplein) mit der calvinistischen (hervormde) Josefskirche (!) am Südrand der Altstadt; ein kühler Tempel...
Gegenüber ein historistischer Bau mit spätmittelalterlich-sakralem Anspruch:
Im VVV (Fremdenverkehrsverein) bietet der Stadtprediger freitags Sprechstunden an:
Nun aber einige Eindrücke aus der erwähnten Ausstellung im Drents Museum:
Eleuterio Pagliano (1826-1903): Nackter Patiotismus.
Die meisten Italiener waren zur Zeit der Staatsgründung arm. Das Bild zeigt einen Sterbenden in seiner armseligen Wohnung. Links sieht man den Gerichtsvollzieher.
1869 wurde in Pompei ein Badehaus ausgegraben. Giacinto Gigante durfte die Ausgrabung besuchen. Nach seiner Beschreibung malte Domenico Morelli (1826-1901) diese Badeszene. Man beachte das Licht von hinten, das unter anderem auf die Marmorstufen fällt:
Von Tranquillo Cremona (1837-1878), einer der "Scapigliati", stammt dieses "Mutterliebe" genanntes Bild. Es erinnert an religiöse Marienbilder eines Rafael, Correggio oder Murillo. Dieses Bild beschreibt das Gefühl einer Mutter zu ihrer Tochter, die allerdings auf anderes konzentriert ist. Da Photo ist übrigens nicht verwackelt.
Alessandro Milesi (1856-1945): Frühstück eines Gondolieres, das ihm seine Frau und seine Tochter am frühen Morgen bringen:
Guglielmo Ciardi (1842-1917): Goldene Weizenähren. Er malt in der Tradition der Landschaftsmalerei, aber in der Vogelperspektive Landarbeiter bei der Weizenernte, die bemerkenswerter- und damals ungewöhnlicherweise von hinten dargestellt sind.
Federico Zandomeneghi (!841-1917): "Im Bett". Ein Mädchen liegt in einer luxuriös ausgestatten Kammer im Bett; die Decke ist halb aufgeschlagen, sei es wegen der Wärme, sei es, weil sie aufstehen will.
Antonio Mancini (1852-1930): "Das Modell". Ein Junge hält eine für Schüler der Kunstakademie angefertigte Kopie eines Fragments einer antiken Figur in den Händen. Im Hintergrund ironisieren Kinderzeichnungen den Dialog mit der Antike.
Vittorio Matteo Corcos (1859-1933): Kontemplation (leider unter Glas). Eine junge, schöne Frau beim Gebet, die sich dem Betrachter in ihrer Grazie zuwendet, die durch die fromme Ältere noch erhöht wird.
Filippo Palizzi (1818-1899): Mädchen auf einem Felsen in Sorrento.
Teofilo Patini (1840-1906): Der Erbe. Ein von seiner Arbeit erschöpfter Bauer auf kargem Lager, neben ihm seine Frau vor einem erkalteten Kamin, der von größeren Zeiten kündet, und sein nackter Sohn, dem "Erben".
Luigi Nono (1850-1918): Die im Stich Gelassenen.
Gioacchino Toma (1836-1891): Die letzten Sakramente für ein Waisenmädchen, das übrigens ganz links am Bildrand zu sehen ist, wie der Priester ganz rechts.
Angelo Morbelli (1853-1919): Weihnachten für die Zurückgebliebenen. Bewohner eines Altenheims, die an Weihnachten dort bleiben, weil sie niemand eingeladen hat.
Plinio Nomelli (1866-1943): Lesen lernen. Die (rührige) Emotionalität kehrt zurück.
Guiseppe Pellizza (1868-1907): Der Rundtanz. Ein Fest der jugendlichen Lebensfreude - doch irgendwie entrückt - die Tänzer werfen keinen Schatten...
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