Samstag, 5. Oktober 2019

Rhodos - Lindos

Lindos, ein Enkel des Sonnengottes Helios, soll nach der Mythologie die Stadt gegründet haben. Vielleicht war aber auch es der aus Ägypten heimgekehrte Danaos. In der Ilias (V. 655) wird berichtet, daß Lindos mit Kamiros und Ialyssos im 12. Jh. v. Chr. von den Dorern erbaut wurden. 

Lindos war die größte der drei antiken Städte von Rhodos. Von hier aus zogen die Rhoder in den Trojanischen Krieg. Lindos war eine Seemacht, die in allen Teilen des Mittelmeeres Kolonien gründete. Ihren Höhepunkt erlebte die Stadt im 6. Jh. v. Chr. unter der Regierung des Tyrannen Kleobulos, der zu den Sieben Weisen des antiken Griechenlands zählt. 

Lindos wird von einem Berg überragt, dessen Gipfel sich über eine große Grotte wölbt, in der in vorhellenistischer Zeit die Naturgöttin Lindia verehrt wurde. Die Dorer bauten im 7. Jh. v. Chr. dieser Göttin nahe der Grotte einen ersten Tempel. Im 8. Jahrhundert baute man dann eine Tempelanlage oben auf dem Berg, die Akropolis. Nachdem diese durch ein Erdbeben zerstört worden war, sammelte der erwähnte Kleobulos Geld bei den Lindern und ließ 550 v. Chr. oben auf dem Berg der Athene Lindia einen Tempel errichten.



Die Johanniter errichteten hier eine Burg, denn als Piratenunternehmen muß man ja überall präsent sein... 


So sah es unter Kleobulos aus:



Zustand um 200 v. Chr.: Hier ist bereits die große Säulenhalle (Stoa) zu sehen, die quer vor dem Heiligtum liegt. 






Nachdem man den Berg zur Hälfte hinaufgestiegen ist und den Eintritt bezahlt hat, trifft man auf eine wunderbare Bildhauerarbeit, die 190 v. Chr. direkt in den Berg geschlagen worden ist. Sie stellt eine Triere dar und ehrt den siegreichen General Hagesandros. Lindos war führend in der Steinmetzkunst; auch der Koloß von Rhodos ist hier von einem Charis geschaffen worden.

Links im "Heck", von einer halbrunden Bank (Exedra) umgeben, stand ein Altar, dessen Basis erhalten ist. 

Im 3./4. Jahrhundert n. Chr. (!) weihte man den Ort Aglochartos, einem der letzten heidnischen Priester am Tempel der Athena Lindia, der den zerstörten Tempelbezirk ein letztes Mal wieder herstellen und Olivenbäume pflanzen ließ.





Auf dem Plateau der Akropolis stößt man auf die weihevollen Treppe, die durch die Stoa zum Tempel der Athena Lindia führt:










Von hier aus blickt man zur Paulusbucht, die sich dem auf seiner dritten Missionsreise in Seenot geratenen Völkerapostel um 57 n. Chr. wunderbar geöffnet haben soll:




Auf der Akropolis haben die Johanniter eine St.-Johannes-Kirche erbaut.



Durch die Stoa wieder hinabsteigend stößt man auf eine Exedra, die die Söhne des Pamphlilidas 215 v. Chr. zu Ehren ihres Vaters errichteten, der Priester der Athena Lindia und des Zeus Polieus war.




In der Stadt Lindos sind viele Kapitänshäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert erhalten, die den damaligen Wohlstand der Stadt zeigen. Dieses (Captains' Bar) ist samt Ausstattung original erhalten. 






Diese Raumstütze, die man hier oft sieht, wie auch im Großmeisterpalast in Rhodos-Stadt, nennt man (wenn ich mich recht erinnere) "kaméra", worin ich als Nichtfachmann die Quelle von "Kammer", "camera", "chambre" usw. erkenne.



Die Kapitänshäuser haben nur einen einzigen Raum. Küche, Toiletten usw. befinden sich im Freien. Im mit von den Seefahrten mitgebrachten Trophäen geschmückten Wohnraum fand infolgedessen das ganze Leben im Haus statt. Die Familie hielt sich auf einer niedrigen hölzernen Tribüne auf, dem "suffa" (arabisch), von dem unser Sofa seinen Namen hat: 





Blick von der Paulusbucht auf den Akropolisberg von Lindos. Man erkennt gut die ursprüngliche "Kultgrotte" und oben darauf den Athenetempel:



Am südlichen Ende der eurasischen Platte sieht man gut, daß die afrikanische sie anhebt. Die Spuren des nagenden Meeres werden - anscheinend in einigermaßen regelmäßigen Abständen (vgl. die "Nagespuren" rechts) - über den Meeresspiegel gehoben:



Dafür, daß hier der Apostel Paulus an Land gegangen und damit das Evangelium die Insel erreicht haben soll, ist die daran erinnernde Kirche doch eher mickrig. Aber wir sind ja ganz nah dran am Ursprung, und da ist so ein Ereignis nicht so spektakulär...






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