Bardowick liegt östlich von Hamburg südlich der Elbe, also an einer alten Grenze des Heiligen Römischen Reiches. Nördlich der Elbe wohnten die heidnischen Wenden (Slawen), mit denen man von hier aus bereits zur Zeit Karls des Großen regen Handel trieb. Bardowick soll damals eine der reichsten Städte gewesen sein.
Es hat eine alte und reiche Geschichte ist es doch einer der ältesten Orte Niedersachsens. Er lag in einer 1700x750 m großen Wallanlage (dreimal so groß wie Haitabu). Diese Burg wurde um 100 v. Chr. von den hier ursprünglich siedelnden Langobarden angelegt. Der Name „Bardowick“ geht auf die Langobarden zurück. Man könnte ihn mit „Bartmarkt“ übersetzen. ("Wick", "Wik", "Weik", "wijk" usw. ist eine Bezeichnung für Marktorte für die Handwerker und Händler in der Umgebung.)
Bardowick wäre beinahe zum Bischofssitz geworden, wenn nicht 849 Verden zur Diözesanstadt und 1143 „Neu-Lübeck“ gegründet worden wären, das ja dann auch Bischofssitz wurde. In einem päpstlichen Dokument wird nach der Gründung des Bistums Verden irrtümlich ein Bistum Bardowick erwähnt.
Der Marktort war durch Privileg König Ottos I. Münzprägestätte („Bardowicker Pfennig“) und erlebte eine durch den Handel bewirkte Blüte. Innerhalb der alten Burg einst zehn (!) Kirchen, von denen eine, St. Nikolai, als Spitalkirche fortlebt, der Ort einer anderen (St. Vitus) durch einen Glockenträger in Erinnerung gehalten wird und (wenigstens) eine dritte, St. Marianus, durch einen „Raum der Stille“ im örtlichen Hospiz beerbt wird.
Nach der legendarischen Bardowicker Gesäßhuldigung zerstörte Heinrich der Löwe die Stadt. Seitdem ist Bardowick nur ein Dorf. Doch die Stiftskirche St. Petri mit ihrem Kapitel haben nicht nur das überstanden, sondern auch die Reformation.
Das Kapitel existierte bis 1865 fort, nachdem es per Gesetz bereits 1848 aufgelöst worden war. Der Dom mit seinem Vermögen ist per Gesetz von 1850 in den Besitz der Klosterkammer Hannover übergegangen.
Der Dom St. Petri ist aus einer von Kloster Amorbach aus gegründeten Missionszelle hervorgegangen. Eine vielleicht zu karolingischer Zeit errichtete Holzkirche wurde frühestens um 1000 durch eine Feldsteinkirche ersetzt. Ein Ablaßbrief von 1236 berichtet von deren Baufälligkeit und der Armut der Stadt. Mit den Einnahmen errichtete man eine romanische Kirche, von der noch das Portal erhalten ist. Ein Ablaßbrief des Halberstädter Bischofs Hermann (1296-1304) dürfte zur Finanzierung der beiden achteckigen Glockentürme beigetragen haben.
1347 beginnen die Planungen für den heutigen gotischen Bau, dessen Beginn sich aber durch historische Wirren hingezogen hat. Damals wird neben dem heiligen Petrus auch St. Paulus Kirchenpatron.
Die Kirche ist zwar von weitem zu sehen, im Ort aber nicht leicht zu finden, da er nicht im (nicht vorhandenen) Dorfkern liegt und die Türme niedrig sind. Ländliche Annäherung vom Parkplatz aus:
Die Fassade erzählt von der komplexen Baugeschichte: Die noch "romanischen" Türme vor dem gotischen Westgiebel ragen aus dem Dach der jüngeren Stephanuskapelle heraus. Im Nordturm hängen zwei gotische Glocken (vermutlich Meister Ulrich, Lüneburg, 1424), im Südturm drei aus der Zeit der Romanik. (Informationen über das Geläut)
Der Dom steht heute auf einem bescheidenen Dorfplatz.
Die Südfassade der spätgotischen Hallenkirche läßt "Kenner" aufmerken: Wieso gibt es je zwei Fenster zwischen den Stebepfeilern?
Der Löwe von 1487 über dem Südportal, erinnert an die Zerstörung Bardowicks durch Heinrich den Löwen (Inschrift: "Leonis vestigium" = "Fährte des Löwen"). Es handelt sich also nicht um einen "Löwendom"... Hier stand einst die Südhalle, schon damals mit dem Löwen.
Romanisches Westportal (rheinisch).
Davor die wie ein Narthex erscheinende Stephanuskapelle. Wie diese liturgisch, gar mit einem geosteten Altar funktioniert haben soll, kann ich mir nicht vorstellen.
Das Innere des Doms.
Die Seitenschiffjoche fassen, wie oben erwähnt, je zwei Fenster unter einem fünfteiligen Gewölbe zusammen. Dies ist keine Erinnerung an das Gebundene System der Romanik, sondern eine spätgotische Lösung aus Lüneburg: Die Seitenschiffjoche sind an die des Mittelschiffs angelehnt, um sie zu stützen. Dies ist nötig, weil Joch- und Kreuzrippen halbkreisförmig und nicht mehr spitz sind und damit mehr Last nach außen schieben.
Bei diesem Bild vom nördlichen Seitenschiff habe ich die Kamera durchaus gerade gehalten - das Mittelschiff schiebt also kräftig...
Im Chorraum feierte das Klerikerstift das Kapitelsamt und die Stundenliturgie, das Kirchenschiff, einst durch einen Lettner abgetrennt, diente als Pfarrkirche. (Die Kreuzigungsgruppe des Lettners befindet sich heute in St. Nicolai in Göttingen.)
Das Chorgestühl mit 54 Stallen aus dem 15. Jahrhundert ist original erhalten. In den oberen Reihen nahmen die Stiftsherren Platz, in den unteren die Vikare.
Taufbecken (1367) vermutlich von einem Gießer aus Lüneburg, erworben vom Stiftsdechanten und Bauverwalter Johannes Om. (Wer sich für mittelalterliche Raummaße interessiert, dem sei dazu diese Studie empfohlen.)
Hochaltar - Predella für Reliquien 1405, niederländisch, Retabel um 1430. Urspünglich war es ein Wandelaltar mit zwei Flügelpaaren, einer Werktags-, einer Feiertags- und dieser Festtagsseite, deren mittelalterliche Farbgebung und Vergoldung 1968 wiederhergestellt worden ist.
Rund um die Gottesmutter in der Mitte (von innen nach außen; in den Flügeln wechseln Frauen und Männer ab):
Obere Reihe links
im Mittelschrein:
hll. Apostel Petrus, Bartholomäus, Thomas,
im Flügel:
hl. Gertrud von Nivelles, hl. Georg, hl. Dorothea, hl. Johannes der Täufer
Obere Reihe rechts
im Mittelschrein:
hll. Apostel Paulus, Matthäus, Judas Thaddäus,
im Flügel:
hl. Katharina, hl. Laurentius, hl. Ursula, hl. Mauritius
Untere Reihe links
im Mittelschrein:
hll. Apostel Andreas, Jakobus d. Ä., Philippus,
im Flügel:
hl. Margareta, hl. Erzengel Michael, hl. Elisabeth von Thüringen, ein hl. Bischof (Willehad?),
Untere Reihe rechts
im Mittelschrein:
hll. Apostel Johannes Ev., Simon, Jakobus d. J.,
im Flügel:
hl. Barbara, hl. Stephanus, hl. Maria Magdalena, hl. Nikolaus (?)
Hölzernes Sakramentshaus / Tabernakel - vorläufig außer Betrieb ;-)
Rest des Levitensitzes für Priester, Diakon und Subdiakon mit neu zusammengesetzten Wangen (1410), die Mose und Elija darstellen.
Daran die Darstellung des Mose.
Die Niederen Ostwangen des Chorgestühls: Der hl. Georg...
... und der hl. Olaf von Norwegen.
Blick nach Westen zur Schuke-Orgel von 2012 im historischen neugotischen Gehäuse der Furtwängler-Orgel von 1867. Sie ist im mitteldeutsch-thüringischen Stil konzipiert.
Weihnachtsleuchter von Erich Brüggemann (um 1970), der an die Marienleuchter von Eutin und Doberan anknüpft.